Es war eine gigantische Aktion: Mit über 300 Traktoren waren im November vergangenen Jahres die Bauern aus Unterfranken von Geldersheim aus über die A 71 nach Berlin aufgebrochen, um dort mit mehreren Tausend Landwirten aus ganz Deutschland gegen die Agrarpolitik der Bundesrepublik mit neuen Vorgaben zum Umwelt- und Tierschutz zu demonstrieren. "Es muss jetzt etwas passieren", hatte damals Nicole Kuhn aus Kronungen gefordert. Die stellvertretende Vorsitzende des Maschinenrings Arnstein hatte die Aktion unterstützt und war mit einem Mietschlepper ein stückweit Richtung Berlin mitgefahren. Ein Jahr danach wollen wir wissen: Ist etwas passiert? Hat der Protest etwas gebracht?

"Es hat auf alle Fälle etwas gebracht", sagt Nicole Kuhn. Vor allem große Aufmerksamkeit für die Probleme der Landwirtschaft. Die Landwirte fühlen sich nicht ausreichend wertgeschätzt. Sinkende Preise für Milch, Fleisch und Gemüse setzt die Betriebe zunehmend unter finanziellen Druck. "Es kann nicht sein, dass die Menschen, die diese Dinge produzieren, nicht ausreichend bezahlt werden." Lebensmittel würden viel zu billig verkauft, kritisiert Kuhn. Sie rechnet vor: Ein Liter Milch müsste über einen Euro kosten und für ein Viertelpfund Pfund Butter wären drei Euro realistisch. Die Bauern bräuchten faire Marktpreise und Agrar-Subventionen, die Bauernhöfe gezielt bei mehr Tier-, Umwelt- und Klimaschutz unterstützen.
Auch vom Verbraucher fordert Nicole Kuhn ein Umdenken. "Die landwirtschaftlichen Produkte müssen wieder mehr wertgeschätzt werden." Ein Schwein könne man vom Rüssel bis zum Haxen verzehren. Und auch ein Hähnchen sei komplett verwertbar. Leider picke sich der Verbraucher aber nur die Edelteile heraus. "Was wir nicht wollen, hacken wir ab und schicken es nach China."
Die roten Gebiete wurden um die Hälfte auf zwölf Prozent reduziert
Der Bauernprotest vor einem Jahr richtete sich auch gegen die beschlossene Verschärfung der Düngeverordnung, die am 1. Januar 2021 in Kraft tritt. Weil die Nitratwerte im Grundwasser vielerorts deutlich zu hoch sind, hat die EU die zulässigen Mengen an Düngemitteln stark eingeschränkt. In der Folge wurden 25 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Bayern als rote Gebiete ausgewiesen, in denen nur noch 20 Prozent unter Bedarf gedüngt werden darf. Die Bauern forderten eine Überarbeitung der Vorschriften. Und haben das tatsächlich erreicht. Die roten Gebiete wurden um die Hälfte auf zwölf Prozent reduziert.

"Ohne die Emotionen der Bauern wären wir nicht zu diesem Erfolg gekommen", freut sich der Geschäftsführer des BBV-Kreisverbandes Schweinfurt, Manfred Kraus. Auch in Unterfranken seien die roten Gebieten nahezu halbiert worden. Richtig stark betroffen war im Landkreis Schweinfurt der Kolitzheimer Bereich. Dank der Überarbeitung der neuen Vorschrift dürfen einige Landwirte nun wieder zurück in ein grünes Gebiet mit weniger strengen Auflagen.
Landwirte haben sich in der Vergangenheit erfolgreich um Reduzierungen von Nitrateinträgen bemüht, so Kraus. Das zeigten Kooperationsabkommen mit Wasserversorgungsunternehmen mit der Rhönmaintalgruppe beziehungsweise mit der Kaistener, um nur zwei beispielshaft zu benennen. Dadurch zeigen sich kontinuierlich fallende Nitratwerte in den Brunnenfassungen.
Durch die Düngeverordnung sind Landwirte verpflichtet für die jeweilig angebaute Kultur einen Düngebedarf zu berechnen und dürfen diesen auch nur düngen. Damit wird gewährleistet, dass nur so viel gedüngt wird was die Pflanze zum Wachsen benötigt und bei der Ernte an "Entzug" wieder abgefahren wird, so Kraus. Unterfranken kommt dabei gut weg, denn "wir haben die niedrigste Stickstofffracht in ganz Bayern", sagt Kraus.
Die Anzahl der Nitratmessstellen wurde verzehnfacht
Auch das Netz der Nitratmessstellen wurde bei der Überarbeitung der Vorschrift enger gestrickt. Die Anzahl der Messstellen wurde verzehnfacht, um so detaillierter herausfinden zu können, wo zu viel Nitrat im Grundwasser ist. Wird an einer Stelle beispielsweise ein zu hoher Nitratwert gemessen, werden künftig erst noch weitere Proben an anderen Messstellen gezogen, bevor die Kategorisierung in grünes oder rotes Gebiet fällt. "Da sind wir gottseidank bei der Politik auf Gehör gestoßen", ist auch Nicole Kuhn erleichtert, dass aus etlichen roten Gebieten wieder grüne oder sogar weiße wurden.
Kritik an der überarbeiteten Düngeverordnung gibt es vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Mit der Verringerung der roten Gebiete werde der Eindruck erweckt, das Nitratproblem sei nun weniger brisant als bisher, heißt es in einer Presseinformation. Das sei ein fatales Signal.
Für die Bauern indessen ist "das Ende der Fahnenstange" noch gar nicht erreicht. "Es gibt immer noch Gebiete, die nicht bis ins letzte Detail geklärt sind", meint BBV-Kreisverbandsgeschäftsführer Kraus. Die Bauernproteste sind also noch längst nicht am Ende angelangt.
In einer früheren Version des Artikels wird Manfred Kraus mit der Aussage zitiert, die Nitratwerte hätten sich nicht verbessert. Dies stimmt nicht. Diese Passage wurde geändert.
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