
Von der harmlosen Muschi zur blutdurstigen Mörderin ist es oft nur eine Nuance: „Katze winkt Löwin“ war die Lesung im Schweinfurter Schrotturmkeller überschrieben. Auf Einladung von Hans Driesel gaben sich hier drei Große der unterfränkischen Autorenszene die Ehre: Im gut besuchten Gewölbekeller löste Hanns Peter Zwißler den ersten Teil des Namens auf. „Die winkende Katze“, heißt seine funkelnde, feinspöttische Satire auf die Medien-Demokratie: Der Journalist Felix Braunstett, Wahlkampfberater des farblosen Politikers Bernie Huber, findet ein Kuvert mit Schwarzgeld. Die Verwicklungen nehmen ihren Lauf, eine absurde Liebe über die Generationen hinweg, mit Rosa, gibt dem Satyrspiel zusätzlich Chili.
Viel Heiterkeit ernten die Sottisen des Schweinfurters, Jahrgang 1946, etwa über das eminent Politische an einem Haarschnitt: Adolf Hitler mit Pferdeschwanz, ein Irokesenschnitt für Mussolini? Undenkbar, erfährt Spitzenkandidat Huber von seinem Berater, zwischen Haarwäsche und fescher Fönfrisur.
Sanft, leise, abgründig: Die Würzburgerin Ulrike Schäfer, die mit „Hinterland“ in die Seele der fränkischen Provinz blickt, trübe wie die Fluten der Gollach. Ein Fremder rettet den kleinen Jakob aus dem Fluss und damit das Leben – dennoch kommt er nicht mehr über eine alte Schuld hinweg.
Der Wahl-Würzburger Martin Heberlein serviert „Weltliteratur für Eilige“, mit Daedalus' Höhenflug und Sturz, Thomas Mann als Mann der ewigen Mitte, Schillers Räubern im Telegrammstil: trocken, vollmundig und mit schwarzem Humor.
Den gibt es auch in der Geschichte von der Löwin und dem Ranger Steve von Ulrike Schäfer: Die Beziehung zwischen geduldig lauerndem Raubtier und lärmendem Touristen-Führer ist fast schon erotisch aufgeladen, am Ende der Safari wird allerdings Ruhe in der Savanne herrschen.
Im letzten Drittel kommt die Lesung endgültig bei der Todesproblematik an: Rehe grasen an Abgründen, Zwißler seziert das Innenleben eines Massenmörders, der unter anderem mit tschechischer Fahrradkette würgt: „Es bedarf nur eines einzigen Mordes, um Mörder zu sein.“ Auch „Kabale und Liebe“ endet tragisch: „Er winselt noch um Gnade, dann wirkt auch schon die Limonade“, ätzt Heberlein zum Tod des Ferdinand. Ulrike Schäfer blickt zurück in die eigene Familien-Geschichte, wie ihr Vater durch ein Eigentor ein Fußballspiel verlor und doch das Herz der Mutter gewann.
Eine Urlesung: Zwißlers „Colomb“ – ein junger Mann mit undankbarem Namen entdeckt das andere Geschlecht, wird am Ende doch noch ein Columbus. „Herr, es ist Zeit, der Sommer war sehr groß“ – dank Alternativ-Fassung von Martin Heberlein endet dieser Herbsttag zwar mit Rilkes gleichnamigem Gedicht, aber nicht nur in depressivem Pathos. Viel Beifall für diese Mixtur aus Tragödie, Komödie und Satire, vielseitig wie das Leben selbst. Uwe eichler
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