Farid ist angekommen. Vor sechs Jahren ist der heute 27-Jährige aus Afghanistan geflohen – aus Angst vor der Terrororganisation Taliban. Er habe in Afghanistan als Sicherheitsmitarbeiter für die US-Armee gearbeitet, erzählt er. Für die Taliban wurde er so zum Feind. In Deutschland konnte Farid (Name geändert) ein neues Leben beginnen. Er fand eine Wohnung, lernte Deutsch, arbeitete in einem Schnellrestaurant. Bis jetzt. Vor wenigen Wochen wurde ihm die Arbeitserlaubnis entzogen.
Farid ist in Deutschland geduldet. Das bedeutet, seine Abschiebung wurde bislang ausgesetzt. In Fällen wie diesem ist die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung eine Ermessensentscheidung, die Aufhebung also rechtens. Farid kann nicht verstehen, weshalb er nicht mehr arbeiten darf. Er habe doch keine Probleme gemacht, sagt er immer wieder.
Appell von Beinhofer an Betriebe
Entscheidungen wie diese entsprächen der aktuellen bayerischen Flüchtlingspolitik, kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat. „Wer keinen Schutz bekommt oder weniger gute Chancen hat, diesen zu bekommen, soll nicht integriert werden.“ Genau dazu tragen aber Ausbildung oder Beruf bei. „Nur über berufliche Integration kann gesellschaftliche Integration erfolgen“, sagt der Pressesprecher der Handwerkskammer für Unterfranken, Daniel Röper.
Die bayerische Staatsregierung prüft genau, wem sie eine Arbeitserlaubnis erteilt und somit ermöglicht, hier Fuß zu fassen. Bei einem runden Tisch der Regierung von Unterfranken appellierte Regierungspräsident Paul Beinhofer jüngst an hiesige Wirtschaftsverbände und Betriebe, sich vornehmlich auf Asylbewerber aus Ländern mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit und auf anerkannte Asylbewerber zu konzentrieren. Mit solchen Appellen ist Unterfranken kein Einzelfall. In vielen Regionen Bayerns wurden ähnliche Empfehlungen ausgesprochen, für den Flüchtlingsrat ein Affront gegenüber Arbeitgebern, „die sich ihre Azubis und Angestellten selbst aussuchen wollen“.
Diese Strategie im Umgang mit Geflüchteten ist nicht neu. Bayerns Innenministerium habe seine Ausländerbehörden schon 2015 angewiesen, Ausbildungsbetrieben Auskunft über die Bleibeperspektive ihrer Azubis zu geben, so die Bundestagsabgeordnete Andrea Lindholz (CSU). Nach derzeitigen Empfehlungen sollen sich Firmen bei ihrer Mitarbeiterwahl auf Menschen aus Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Somalia konzentrieren. Obwohl die Anerkennungsquote bei Flüchtlingen aus Afghanistan laut Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrats im vergangenen Jahr bei über 50 Prozent lag und somit immer noch besser ist als die von Flüchtlingen aus dem Iran, gehört das Land nicht dazu.
Die Vorwürfe gegen die Landesregierung gehen sogar noch einen Schritt weiter: Flüchtlingen aus vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten oder -gebieten, zu denen inzwischen auch Afghanistan zählt, würden, wie in Farids Fall, bereits erteilte Arbeitsgenehmigungen wieder entzogen, kritisiert ein Sprecher des Flüchtlingsrats. Eine Hürde weniger, die im Falle einer Abschiebung zu beachten ist.
Die Diskussionen mit Blick auf die Bleibeperspektive sorgen bei Betrieben für Unsicherheit, bestätigt Röper und fordert mehr Rechtssicherheit. Derzeit bestünden 50 Ausbildungsverträge mit Afghanen bei der Handwerkskammer Unterfranken. Die Entwicklungen im Umgang mit Flüchtlingen aus Afghanistan sieht er kritisch. „Es ist nicht zu verantworten, dass jene, die eine Ausbildung absolvieren oder die sie gerade beendet haben, abgeschoben werden.“
Kritik vom Flüchtlingsrat
Nicht immer ist der Entzug einer bereits erteilten Arbeitsgenehmigung menschlich nachvollziehbar, rechtlich ist sie jedoch legitim. Denn grundsätzlich gilt eine Arbeitserlaubnis für einen spezifischen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag. Da sie jedoch von verschiedenen Faktoren wie etwa der Integrationsbereitschaft, der Mitwirkung an Identitätsklärung oder Straftaten abhängt, kann und muss sie immer wieder überprüft werden.
„Das bayerische Innenministerium sagt in seiner Verordnung vom 1. September 2016 sehr klar, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen vor Ausbildung gehen. Das gilt auch für Arbeitsverhältnisse“, so der Bayerische Flüchtlingsrat. Ein solcher Schritt komme nur selten vor, widerspricht das Ministerium. Es handele sich dabei um eine Ermessensentscheidung der zuständigen Ausländerbehörde je nach Einzelfall.
In Farids Fall bedeutet es, dass der 27-Jährige nicht mehr arbeiten darf. Er musste ein Stück Selbstständigkeit aufgeben und ist nun auf die Unterstützung des Staates angewiesen.
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