In unserem Samstagsbrief "Herr Könneke, Ihre Aufforderung zur Debatte gefällt mir!" hatten wir dem Kulturreferenten der Stadt Würzburg Anerkennung dafür gezollt, dass er für die Kunstfreiheit auch gegen Widerstände im Stadtrat eintritt. Achim Könneke antwortet nun mit einem kämpferischen Grundsatzpapier.
Lange sei die Kunstfreiheit kaum Debattenthema gewesen. "Heute dagegen, wo neben manchen schlicht Bornierten und Dauer-Reaktionären offen faschistische und identitäre Extremisten – ob nun in oder außerhalb der AFD – die Freiheit der Kunst teils offen, teils hinterfotzig bekämpfen, wie nie zuvor in der Bundesrepublik geschehen, müssen wir diesen Anfängen wehren."
Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit seien so oft Angriffsziel, weil sie elementare Grundrechte einer freiheitlichen Gesellschaft seien. "Und weil diese Grundrechte immer zuerst über ,Nestbeschmutzer' und ,Lügenpresse' diskreditiert werden müssen, um widerspruchsfreie Räume für die eigene, meist menschenverachtende Propaganda zu etablieren . . . Das ist weder originell noch kreativ, funktioniert aber weltweit nach diesem einfachen Muster. Das nationalsozialistische Deutschland war hierin mal Weltmeister."
Die Kunstfreiheit ist im Grundgesetz zweifach geschützt
Deshalb sei heute im Grundgesetz ein zweifacher besonderer Schutz der Kunstfreiheit verankert: als Schutz vor dem Staat, der die Kunst nicht zensieren oder verhindern dürfe, und gleichzeitig als Schutz durch den Staat, also als dessen Verpflichtung, die freie Entfaltung der Künste aktiv zu fördern. Politische Instrumentalisierung verbiete sich deshalb, "für gefährliches völkisch-nationales Identitätsgeschwurbel übrigens ebenso wie für die Rettung unseres Planeten oder andere wünschenswerte Ziele".
Lesen Sie hier den Brief von Achim Könneke im Original:
Was wiederum nicht heiße, dass Kunst sich nicht leidenschaftlich für Außerkünstlerisches engagieren dürfe: "Meine größte Wertschätzung . . . gebührt den Künstler*innen, die das hohe Gut der Kunstfreiheit als expliziten Auftrag zum mutig Sein verstehen. Auch wenn Kunst dann mal irritiert. Das darf sie, das soll sie!"
Die Förderung junger Kunst als vornehmste Pflicht einer Stadt
Leider sei auch der öffentliche Kulturbetrieb in den letzten 25 Jahren von der allgegenwärtigen neoliberalen Ökonomisierung aller Lebensbereiche nicht verschont geblieben und habe sich zu sehr an fragwürdigen Leitbildern orientiert. "Nicht zuletzt durch Corona erkennen wir aber immer deutlicher, dass sich der öffentliche und öffentlich geförderte Kulturbetrieb statt am Fetisch betriebswirtschaftlicher Effizienz und unpassenden Logiken des Marktes viel entschiedener am Gemeinwohl und an den UN-Nachhaltigkeitszielen orientieren muss, um sich wirkliche gesellschaftliche Relevanz zu erarbeiten."

Und so sei es die vornehmste Pflicht der Stadt, neben den ebenso wichtigen Aufgaben der kulturellen Bildung und der Pflege und Vermittlung des kulturellen Erbes, mutige und experimentelle, junge und nicht etablierte Kunst zu fördern. "Wir müssen Fremdes und Neues nicht nur zulassen, sondern aktiv promoten und Brücken zwischen den Künsten und den Kulturen bauen, um neue Wege ins Offene zu gehen." Kunstförderung verstehe sich so als investiertes Risikokapital. "Die Frage, in welcher Welt und in welcher Stadt wir leben wollen, sollte wieder DIE zentrale Frage unserer Kulturarbeit werden."
Der Diskussionszeitraum für diesen Artikel ist leider schon abgelaufen. Sie können daher keine neuen Beiträge zu diesem Artikel verfassen!