Schon vor vier Jahren hatte sich die evangelische Thomaskirchen-Gemeinde beim Diakonischen Werk Bayern dafür beworben, eine Vesperkirche auszurichten. Den Zuschlag und damit eine Anschubfinanzierung von 45 000 Euro bekam Schweinfurt, wo Anfang 2015 die erste bayerische Vesperkirche startete. Aber die Würzburger Bewerbung sei „auch in die Endauswahl gekommen“, sagt Pfarrerin Karin Jordak: „Im Januar 2017 bekamen wir dann einen Anruf von der Diakonie, ob wir immer noch Lust hätten, das zu machen.“
Die Neigung dazu hatte der Kirchenvorstand, der in den vergangenen Jahren mehrfach bei der Schweinfurter Vesperkirche gespeist hatte. Nun ging man in eine Klausurtagung und beschloss: „Auch wenn wir einen finanziellen Verlust dabei erwarten – das machen wir“, erzählt Pfarrerin Jordak. Stattfinden soll die Würzburger Vesperkiche zwei Wochen lang – vom 4. bis zum 18. März 2018.
Ausgaben sind knapp kalkuliert
5000 Euro Defizitausgleich stellt das Diakonische Werk Bayern der kleinen Würzburger Vesperkirche in Aussicht. Auf 15 000 Euro schätzt Jordak die Ausgaben für Essen, das Anschaffen von Geschirr, Werbung und so weiter: „Wir hoffen aber, dass unsere besser gestellten Gäste mehr als den einen symbolischen Euro bezahlen, so dass wir nicht allzu viel zuschießen müssen.“ Zudem sind Sponsoring-Anfragen an regional einschlägige Stellen wie die Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung gestellt.
Die Ausgaben sind knapp kalkuliert. Laut Kirchenvorstands-Vertrauensperson Wolfgang Kümper hatten verschiedene Caterer Kostenvoranschläge zwischen drei und zwölf Euro für ein Menü gemacht. Schließlich kam man auf „den spannendsten Kooperationspartner“ der ganzen Vesperkirche. Das Essen liefert die Justizvollzugsanstalt Würzburg – für 3,50 Euro pro Person. Dabei handele es sich mitnichten um Wasser und Brot. Wolfgang Kümper sagt: „Dieses Essen essen auch die JVA-Bediensteten, nicht nur die Gefangenen.“ Er sieht durch die Wahl des Caterers auch „eine soziale Verbindung“ zur JVA.
Die Thomaskirche ist prädestiniert zur Vesperkirche
Neben der Schweinfurter St. Johanniskirche mit 410 Gästen täglich hat sich inzwischen die Gustav-Adolf-Gedächtnis-Kirche in Nürnberg als Vesperkirche mit – laut Jordak – 500 Essen etabliert. Umgesehen haben sich die Evangelischen aus dem Würzburger Stadtteil Grombühl intensiv in der Bonhoeffer-Gemeinde von Nürnberg-Langwasser, die ebenfalls seit einigen Jahren eine Vesperkiche anbietet: „Das ist ein ähnlich großer Kirchenraum wie der unsere“, sagt Pfarrerin Karin Jordak. Kirchenvorstand Kümper meint, die Thomaskirche sei zur Vesperkirche besonders prädestiniert: „Wir waren immer eine offene Kirche.“ Die bietet Räume für Selbsthilfegruppen aus der benachbarten Universitätsklinik und Proberäume für Musiker. Letztere spielen die Tafelmusik zur Vesper.
Ein buntes Wohnviertel
Die Thomaskirche habe eine „sehr diakonisch geprägte Gemeinde“ mit 1560 Mitgliedern. Außerdem habe der Stadtteil Grombühl eine gute Bevölkerungsmischung. Karin Jordak ergänzt: „In diesem bunten Viertel leben viele Leute in kleinen Wohnungen, viele alleinstehende Senioren und die Wohngruppen der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe. Dadurch bekommt die Vesperkirche etwas Inklusives.“
Doch die Vesperkirche wird nicht allein für das Stadtviertel gegründet. Sie liegt zwar nicht zentral, aber als einzige evangelische Kirche Würzburgs direkt an einer dicht getakteten Straßenbahnlinie und kann somit leicht von jedem Punkt der Stadt aus erreicht werden. Und nicht nur Gäste erwartet man aus ganz Würzburg. Karin Jordak hofft, „dass sich Menschen aus allen Gemeinden des Dekanats als Helfer beteiligen“.
Schließlich geht der Ehrgeiz der Würzburger Vesperkirche dahin, genug Personal zusammenzutrommeln, damit an den Tischen bedient werden kann und die Gäste nicht zum Buffet müssen. Außerdem sollen sie nach der Speisung am Tisch sitzen bleiben können. „So ist es persönlicher“, sagt die Pfarrerin. Für Kaffee und Kuchen steht schließlich unterhalb des Kirchenraums ein Gemeindesaal zur Verfügung. Neben Gemeindegliedern als Helfer haben die Organisatoren auch Einrichtungen angesprochen und dort laut Pfarrerin Jordak „ausschließlich positive Reaktionen bekommen.“
Vesperkirchen in Bayern In der Würzburger Thomaskirche (Bild) soll 2018 erstmals zwischen 4. und 18. März ein Vesperkirche stattfinden. Sie wird täglich von 11 bis 15 Uhr geöffnet haben. In Bayern sind Vesperkirchen ein vergleichsweise neues Angebot der evangelischen Kirche. Die erste offizielle Vesperkirche im Freistaat fand im Januar und Februar 2015 in Schweinfurt statt – als ein von der Landeskirche und bayerischer Diakonie ausgelobtes Pilotprojekt, um das sich die Gemeinden bewerben konnten. Den Zuschlag erhielt St. Johannis in Schweinfurt. Seitdem geht es dort um gemeinsames Essen und Begegnung. Während der Vesperkirchen im Januar und Februar ist zwischen 11.30 Uhr und 14.30 Uhr jeder eingeladen: zum Essen, zum Reden, auch mit Seelsorgern. Damit es sich jeder leisten kann, gibt es Vorspeise, Hauptgericht sowie Kaffee und Kuchen für einen symbolischen Preis von 1,50 Euro. Weitere Vesperkirchen gibt es in Bayern in der Nürnberger Gustav-Adolf-Gedächtniskirche sowie in der Bonhoeffer-Gemeinde in Nürnberg-Langwasser. Vielerorts gibt es Überlegungen zur Einrichtung einer Vesperkirche oder ähnlicher Projekte wie kostenlose oder günstige Mittagessen. Anders als in „regulären“ Vesperkirchen findet dort das Essen nicht im Kirchenraum, sondern etwa im Gemeindezentrum statt. In der katholischen Kirche in Bayern und bundesweit gibt es aktuell keine Vesperkirchen.