Wir hatten am Dienstag bei uns im Klinikum 18 Corona-Patienten – am Mittwoch wurden 22 behandelt, fünf davon auf den Intensivstationen beider Standorte. Das zeigt: Die Zahlen steigen. Und das, obwohl drei Patienten entlassen wurden und eine 90-jährige Erkrankte gestorben ist.
Dementsprechend musste Einiges organisiert werden. Vor allem ging es um den Schutz der Mitarbeiter und Patienten. So gilt ab Freitag an beiden Standorten des Klinikums ein generelles Besuchsverbot mit wenigen Ausnahmen. Grund hierfür sind die hohen Fallzahlen in der Bevölkerung und dass wir Patienten und Mitarbeiter nicht in Gefahr bringen wollen.
Ein Thema, das uns momentan stark beschäftigt, sind Ängste. In der Medizin haben wir damit häufig zu tun, etwa bei unsicheren Prognosen oder vor Beginn einer Therapie. In der Pneumologie kommen oft noch Angst und Panik bei Atemnot hinzu. Wir dürfen deshalb Erkrankungen nicht nur unter organischen Aspekten betrachten, sondern müssen darauf achten, wie sie über Emotionen und die Psyche die Lebensqualität beeinflussen.
Ganz aktuell erleben wir bei vielen Menschen auch eine gewisse Angst vor der Corona-Impfung. Ähnliches kennen wir als Mediziner, wenn es um neue Medikamenten-Therapien geht. Entscheidend ist, dass man solche Ängste – egal ob sie von Kollegen, Mitarbeitern oder Patienten ausgesprochen werden – nicht wegwischt.
Auch in der Region rechnet man mit noch mehr Corona-Patienten und weiteren Todesfällen
Ein Beispiel ist die Sorge vor negativen Langzeitauswirkungen des Impfstoffs. Im Kollegenkreis diskutieren wir das offen. In der Tat gibt es noch keine Langzeiterfahrungen – allerdings ist das bei der Zulassung von neuen Medikamenten ebenfalls oft so. Trotzdem sind Neuentwicklungen bei verschiedenen Krankheitsbildern eine extreme Chance für Betroffene und bedeuten Hoffnung. Das sieht man etwa an innovativen Immuntherapien bei Krebs, Asthma oder Rheuma.
Ich glaube auch nicht, dass die beschleunigte Entwicklung der Corona-Impfstoffe ein Risiko für die Sicherheit darstellt. Im Gegenteil zeigt die Schnelligkeit schlicht, wozu die Wissenschaft fähig ist, wenn Geld nicht zum limitierenden Faktor wird und alle an einem Strang ziehen. Wir hier im Klinikum erleben die Bedrohung durch Corona jeden Tag. Deshalb denke ich, man sollte den Impfstoff als Chance sehen.
Denn Ängste plagen natürlich auch Corona-Patienten. Viele erzählen, dass sie im Moment der Diagnose regelrecht Panik bekommen und sich fragen: "Überstehe ich das?" Im Krankenhaus fühlen sie sich dann jedoch meist gut aufgehoben. Voraussehen kann man den Verlauf aber nie. So mussten wir beispielsweise einer Patientin sagen: "Wir werden Sie künstlich beatmen, sonst überstehen Sie das nicht." Davon war die Frau wie erschlagen. Da muss man sich Zeit nehmen, im Gespräch aufklären – und einfach da sein.
Mit Blick auf den traurigen Rekord von bundesweit fast 1000 Todesfällen an diesem Mittwoch muss man sagen: Den einen Grund dafür zu nennen, ist schwierig, die Zahlen steigen seit Tagen und die negativen Folgen treffen uns bei Corona immer zeitverzögert. Zudem erkranken nach wie vor viele ältere Menschen, die nicht die besten Voraussetzungen haben. Auch im Klinikum rechnen wir damit, dass noch mehr Patienten kommen – und leider auch mit weiteren Toten.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er dienstags, donnerstags und samstags Einblicke in den Klinikalltag: www.mainpost.de/corona-tagebuch
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