Dies geschah in vielen Städten Deutschlands, und so entwickelte sich das auch heute noch bestehende Schulsystem für amerikanische Kinder in Deutschland.
Simone Gutwerk vom Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik der Uni macht es sich in ihrer Doktorarbeit zur Aufgabe, die Geschichte dieses noch weitgehend unbekannten Schulsystems zu rekonstruieren. Hierzu reiste sie mit der finanziellen Unterstützung der Universität im April 2007 ins American Overseas Historical Archive (AOSHS) nach Kansas in den USA und sammelte einzigartige historische Quellen. Auch für Würzburg konnte sie interessante Belege für die Existenz der Schulen erheben.
So gehörte die „Wuerzburg Elementary School“ mit ihrer Eröffnung im September 1946 zu den frühesten Unterrichtsstätten der Amerikaner in Deutschland. Untergebracht war die Grundschule damals noch in der heutigen Goethe-Grundschule. Da die Schülerzahlen zunahmen, wurde ihr im zweiten Schuljahr ein Kindergarten angegliedert.
Natürlich brauchte es zur Unterrichtung auch Lehrkräfte. Im Internet erinnern sich ehemalige US-Lehrer an ihre Ankunft in der zerstörten Stadt. Mit Bestürzung beschreiben sie die Schutthalden und die Not der Menschen an ihrer neuen Arbeitsstätte; ebenso erwähnen sie die historisch bedeutsame und schöne Stadt.
Die Lehrkräfte trotzten den dokumentierten Widrigkeiten des Nachkriegsalltags und auch die Schülerzahlen stiegen stetig an. Die Würzburger Grundschule musste sich vergrößern. 1954 öffneten eine Elementary Middle und High School ihre Schultüren in einem großen Gebäudekomplex auf dem damals noch fast unbebauten Gelände der Leighton Barracks.
Genauso unbekannt wie die Existenz der Schulen für Kinder von Militärangehörigen selbst ist der Tatbestand, dass hier auch deutsche Lehrkräfte eingestellt wurden, um den amerikanischen Kindern die deutsche Kultur zu vermitteln. Dass US-amerikanische Schulen ein Kultur- und Sprachprogramm anboten, mag angesichts des bekanntlich recht dünnen Fremdsprachenangebots an Schulen in den Vereinigten Staaten überraschen.
Simone Gutwerk fand heraus, dass dies bereits seit 1946 geschieht, womit die Schulen für Kinder von Militärangehörigen dem deutschen Schulwesen historisch gesehen einen Schritt voraus waren, denn in Bayern wurde der Englischunterricht an Grundschulen offiziell erst mit dem Lehrplan 2000 verpflichtend.
Gutwerk dazu: „Amerikanischen Kindern wurde die Sprache und Kultur des Gastlandes, der Host Nation, bereits nahe gebracht, als Deutschland eigentlich noch der kürzliche Kriegsgegner war.“
Belege dafür, dass die amerikanischen Kinder mit Schulklassen der Umgebungskultur Kontakt hatten, konnte die Forscherin auch für den Standort Würzburg finden. Ein Foto aus dem Jahre 1955 zeigt deutsche und amerikanische Schulkinder beim Einüben eines Square Dance in der Adalbert-Stifter-Schule.
Im Sommer dieses Jahres traf Gutwerk Betty Thomas und Joan Adrian in Würzburg, zwei ehemalige Schülerinnen an amerikanischen Schulen in Deutschland. In einem langen Interview erfuhr sie, dass Betty, die im Grasweg gewohnt hatte, wöchentlich mit dem Zug nach Erlangen pendeln musste, da es bis 1954 in Würzburg keine High School gab.
„„Amerikanischen Kindern wurde die Sprache und Kultur des Gastlandes bereits nahe gebracht, als Deutschland eigentlich noch der kürzliche Kriegsgegner war.“
Simone Gutwerk
Die beiden über 70-Jährigen berichteten aber ebenso, auch dort ein ausgiebiges Deutschprogramm von einer deutschen Lehrkraft genossen zu haben.
Fragt man heute bei den derzeitigen amerikanischen Lehrkräften nach, ob solche Kontakte und Sprachprogramme immer noch gepflegt werden, findet sich dies bestätigt. „Die amerikanische Schule in Würzburg war immer stolz und dankbar, dass sie in all den Jahren gute Beziehungen und Austausch-Aktivitäten mit Schulen in Würzburg und Mainfranken hatte“, schrieb eine Lehrkraft an Simone Gutwerk.
Im kommenden Jahr schließen die Wuerzburg Elementary und Middle School. „Dann geht eine Schulgeschichte für Würzburg zu Ende, in der viele deutsche und amerikanische Schüler eine andere Kultur kennen lernen konnten, ohne dafür weit in die Ferne reisen zu müssen“, sagt Simone Gutwerk. Somit, fährt sie fort, „gehen auch die vielen Kulturbegegnungen zwischen deutschen und amerikanischen Schülern und Schülerinnen zu Ende, die mitten in der Stadt Würzburg mit Hilfe von engagierten Lehrkräften über die letzten 60 Jahre hinweg regelmäßig stattgefunden haben“.