würzburg (gr) Erneut hat das Stadtarchiv einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Geschichte Würzburgs vorgelegt. Der 10. Band der "Veröffentlichungen des Stadtarchivs" schließt laut Archivdirektor Dr. Ulrich Wagner Lücken in der neueren Geschichtsschreibung.
Schlaglichtartig greift der 370 Seiten dicke Band Aspekte der Verwaltungs-, Wirtschafts-, und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts auf. Unter dem Titel ". . . ich bin mir der Verantwortung bewusst, die ich mit meinem Amt auf mich genommen habe" beleuchtet das Buch zunächst das Wirken der beiden Oberbürgermeister Dr. Ludwig Weis und Theo Memmel. Es setzt damit zugleich das Bestreben des Stadtarchivs fort, die Würzburger Stadtoberhäupter des 19. und 20. Jahrhunderts biographisch zu erfassen.
Für seinen jüngsten Band wurden damit zwei Persönlichkeiten in einem Werk zusammengeführt, die treffend die historische Entwicklung ihrer jeweiligen Zeit repräsentieren. Über die Biografie von Ludwig Weis, liberaler Jurist, erster Bürgermeister von 1859 bis 1862 und in dieser Zeit ein Sanierer der städtischen Finanzen, wird der Leser zugleich über die damalige bayerische Politik unterrichtet, die zwischen Liberalismus und Repression schwankte. Theo Memmel dagegen, Gymnasiallehrer, NS-Kreisleiter und Oberbürgermeister von 1933 bis 1945, ist ein Prototyp des nationalsozialistischen Aufstiegs, der die Machtergreifung der Nazis im März 1933 in Würzburg entscheidend vorantrieb.
In einem Vortrag zur Buchvorstellung bezeichnete ihn der Historiker Peter Weidisch "als Exponent des Dritten Reiches, der noch im Endkampf hunderte Soldaten in den Tod hetzte". Der Vortrag, der über die Entmachtung des von der Bayerischen Volkspartei und der SPD geprägten Stadtrates und die Durchsetzung des NS-Herrschaftsanspruchs durch Memmel bis Juli 1933 berichtete, wird ebenso in die zum Stadtjubiläum 2004 erscheinende Stadtgeschichte einfließen, wie der jüngste Band des Stadtarchivs.
Ein weiterer Beitrag des Bandes widmet sich dem evangelisch-lutherischen Dekan Wilhelm Schwinn. Bezirksheimatpfleger Klaus Reder hat sich in intensiver Quellenarbeit den sozialen Gegebenheiten, den Wohnverhältnissen und der beruflichen Situation der Bevölkerung um 1860 angenommen. Eine Studie über die Würzburger Weizenbierbrauereien leitet schließlich über zur Analyse der Struktur- und Gewerbepolitik Würzburgs in den Nachkriegsjahren bis 1965.
Das Buch mit 28 teils bisher unveröffentlichten Fotografien, das "von vielen Bürgern noch selbst erlebte Geschichte" bietet, ist im Verlag F. Schöningh, Würzburg, erschienen und kostet 14,50 Euro.