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WÜRZBURG: Lebenshilfe: Vor 15 Jahren Aufbruch zu neuen Ufern

WÜRZBURG

Lebenshilfe: Vor 15 Jahren Aufbruch zu neuen Ufern

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    Unterricht in der Berufsschulstufe der Christophorus-Schule: Eine Schülerin aus der Malgruppe beschäftigt sich mit Mustern.
    Unterricht in der Berufsschulstufe der Christophorus-Schule: Eine Schülerin aus der Malgruppe beschäftigt sich mit Mustern. Foto: Foto: Pat Christ

    Sie kommen aus verschiedenen Würzburger Stadtteilen und dem Landkreis: 200 Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung sind Schüler der Würzburger Lebenshilfe. Jeder vierte Pennäler allerdings wird nicht mehr direkt in der Christophorus-Schule, sondern außerhalb unterrichtet. Vor 15 Jahren begann die Einrichtung in einem bayernweit einmaligen Projekt, mit der privaten Montessori-Schule in Würzburg integrativ zu kooperieren.

    Mit der damaligen Kooperationsklasse brach man zu neuen Ufern auf: 16 Grundschüler nahmen am Unterricht in den jahrgangsgemischten Montessori-Klassen teil. Forscher der Universität Würzburg begleiteten das Projekt und wiesen positive Effekte für alle beteiligten Kinder nach. „Die Christophorus-Schule war damals und ist heute eine der Vorreiterinnen in Sachen Integration in Bayern“, bestätigt Brigitte Schindler, Fachreferentin für Schulen und Tagesstätten der bayerischen Lebenshilfe.

    Zwar verbringen heute noch die meisten Kinder ihren Schultag im Gebäude der Lebenshilfe-Einrichtung in der Würzburger Mainaustraße. Doch über 50 Christophorus-Schüler besuchen inzwischen eine Regelschule. Einige gehen nach wie vor in die Montessori-Schule. Andere werden in der Grundschule des wenige Kilometer entfernten Ortes Margetshöchheim oder in der Würzburger Jenaplan-Schule unterrichtet. Wieder andere sind einzeln integriert. Berufsstufenschüler leisten Praktika in ganz „normalen“ Betrieben „draußen“ ab. Die „Inklusionsquote“ beträgt über 25 Prozent.

    Als Wächterin über die Rechte behinderter Menschen setzen sich die Lebenshilfen bayernweit für Inklusion ein. Die Christophorus-Schule legt dabei großen Wert darauf, dass bei allen Inklusionsbemühungen der Elternwunsch berücksichtigt wird. Gegen den Willen der Väter und Mütter geht gar nichts. Inklusion könne außerdem nur bei geeigneten Rahmenbedingungen gelingen, betont Schulleiter Martin Wimmer.

    Der Schulraum für inklusiven Unterricht muss zum Beispiel ausreichend groß sein, denn neben dem Grundschulpädagogen sind ein Sonderpädagoge und oft auch eine Kinderpflegerin anwesend - sofern es sich um eine echte Außenklasse handelt. Die Lehrkräfte der Regelschule sollten außerdem unbedingt eine positive Einstellung gegenüber der Inklusion haben. „Es braucht eine Willkommenskultur“, so Wimmer, der ständig neue Partnerschulen sucht. Was nicht einfach ist.

    Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen zum Thema „Inklusion“ will derzeit noch die Mehrzahl der Würzburger Eltern, dass ihr Kind direkt in der Christophorus-Schule unterrichtet wird. Konrektorin Ulla Glaab wundert das nicht: „Jugendliche finden hier Gleichaltrige mit ähnlichen Interessen.“

    „Die Christophorus-Schule war damals und ist heute eine der Vorreiterinnen in Sachen Integration in Bayern“

    Brigitte Schindler, Fachreferentin, Bayerische Lebenshilfe

    Die Teenager der Christophorus-Schule können über die gleichen Witze lachen und schließen rasch Freundschaft untereinander. An Regelschulen ist es Glaab zufolge nicht für alle Jugendlichen mit geistiger Behinderung möglich, ihre altersgemäßen Bedürfnisse auszuleben: „Verliebt sich einer unserer Schüler in das hübscheste Mädchen der Mittelschule, könnte das problematisch werden.“

    Er findet „seine“ Schule ganz super, bestätigt Christophorus-Schüler Enrico Ruß. Der 18-Jährige, der die Berufsschulstufe im letzten Jahr besucht, wird seit der ersten Klasse in der Einrichtung der Lebenshilfe unterrichtet. Er mag die Lehrerinnen und Lehrer: „Weil die so nett sind.“ Und kommt ausgezeichnet mit seinen Mitschülern klar. Auch der Unterricht macht ihm großen Spaß: „Im Moment lernen wir den menschlichen Körper kennen.“ Was alles in so einem Körper Platz findet, hätte Enrico Ruß gar nicht gedacht: „Das Herz, die Niere, der Dünn- und der Dickdarm“, zählt er auf. Enrico lernt gerne. Und würde sich wünschen, nach der Schule in einem Büro tätig zu sein.

    Dass Claudia (Name geändert) plötzlich aufsässig wurde und irgendwann aufhörte, zu sprechen, lag daran, dass sie sich in der Regelklasse, in die inkludiert wurde, nicht wohl fühlte. „Sie fand keine Freundin“, schildert Konrektorin Rosmarie Schubertrügmer. Außerdem litt sie darunter, dass alle anderen immer besser waren als sie. Claudia ist ein Mädchen, bei dem die Inklusion unter den gegebenen Bedingungen nicht geklappt hat. Sie kam zurück an die Schule der Lebenshilfe - und blühte hier auf.

    Dass der heute neun Jahre alte Tobias Eitschberger regulär eingeschult werden sollte, entschieden seine Eltern bereits im Kindergarten in Absprache mit der Christophorus-Schule. Tobias lebt in Ochsenfurt bei Würzburg. Hier ist der geistig behinderte Junge fest im Sportverein integriert und hat auch darüber hinaus viele Freunde in der Stadt. „Eine Einschulung in die Christophorus-Schule hätte seinen „Bekanntheitsgrad“ in Ochsenfurt verringert und eine Entfremdung herbeigeführt“, befürchtete seine Mutter Katrin Eitschberger.

    Nimmt Tobias wahr, dass er nicht ganz so clever ist wie seine Klassenkameraden? „Ich weiß es nicht“, gibt seine Mutter zu. Klar ist nur: „Wird er auf seine Besonderheit angesprochen, winkt er ab, er sei nicht behindert.“ Tobias will momentan noch keine Erklärung für sein Anderssein: „Und so haben wir im Team abgesprochen, dass er damit auch nicht konfrontiert wird.“

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