Alexander Jansen, der Stellvertreter des Intendanten des Mainfranken Theaters, glaubt an eine „Elite von unten“. Er glaubt zum Beispiel, dass nicht nur Gymnasiasten Kunst und Poesie schaffen können, sondern auch Haupt- und Mittelschüler. So wagten er und das Theater, einen „Leonhard-Frank-Literaturpreis für Würzburger Haupt- und MittelschülerInnen“ auszuschreiben. Stadtbücherei und Leonhard-Frank-Gesellschaft trauten sich mit ihm. Am Montagabend, 4. Juli, werden die Sieger im Mainfranken Theater gekürt, zum Auftakt der Schultheatertage.
Theater, Bücherei und Frank-Gesellschaft widmeten den Preis Schriftsteller Leonhard Frank. Der, 1882 im Mainviertel geboren, 1961 in München gestorben, beschrieb in seiner – dichterisch verfremdeten – Autobiografie „Links wo das Herz ist“ seine Kindheit als schön. Die „große Not, herzabdrückend und die Seele verwundend“, habe erst in der Schule begonnen.
Solche Not kommt in den Wettbewerbstexten der Schüler nicht vor. Bei einem Treffen mit dieser Zeitung berichteten manche durchaus von Zukunftsängsten. Aber so was wie Frank erlebten sie nicht. Die zwölfjährige Vanessa Oppmann aus der Montessori-Schule etwa berichtete, sie würden „sehr mit Respekt behandelt, da hören die Lehrer zu und verstehen“.
Acht siebte bis neunte Klassen machten mit, alle nach dem gleichen Prozedere: Treffen am Morgen zum Acht-Stunden-Tag in der Stadtbücherei, Lesung von Schauspielern des Mainfranken Theaters aus Werken Franks, dann Schreibtraining mit der Schriftstellerin und Bücherei-Mitarbeiterin Kriemhild Buhl, schließlich schreiben, ein Gedicht, einen Sprechgesang (Rap), am besten über ihr Jungsein in Würzburg.
Als Buhl auswertete, was die Schüler gedichtet hatten, war sie verblüfft. Sie hätte nie gedacht, sagt sie, „dass sie mit so viel Intelligenz zu tun hat und mit so viel Fantasie“. Alexander Jansen vom Theater sah sich bestätigt. Er fand „sagenhafte Texte“. Im Wettbewerb habe sich ein anderes Potenzial gezeigt „als das, was sich abbildet, in den normalen Fächern“. Norbert Langhans, ein Lehrer von der Goetheschule, meinte vor dem Wettbewerb zwar, das dreigliedrige Schulsystem werde seinen Schülern nicht gerecht. Aber das, was sie ablieferten, überraschte ihn dann doch. Mit einer solchen künstlerischen und geistigen Qualität hatte er nicht gerechnet.
Sie schrieben über die Liebe, Partys, vergessene Hausaufgaben und die Plagen mit Mathe, und über Sehnsüchte. Auffällig bei Kindern aus Migrantenfamilien: Der Ort der ihrer Sehnsucht ist dort, wo ihre Familie lebt. So schrieb Enes Yücel von der Goetheschule, an seine Heimat zu denken tue ihm weh – er meinte Hof in Oberfranken.
Lehrer Langhans hält den Wettbewerb für bedeutend, weil er die Haupt- und Mittelschüler „in das kulturelle Leben Würzburgs einbindet“. Manchmal stünden sie am Rand der Gesellschaft, nicht wegen ihres Leistungsvermögens, sondern wegen der Strukturen im Bildungssystem. Durch den Wettbewerb fühlten sie sich aufgewertet.
Die Schülerinnen und Schüler führen ihre prämierten Beiträge am Montag, 4. Juli, im Mainfranken Theater auf, im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung der Schultheatertage. Um 11 Uhr (eine halbe Stunde vor der offiziellen Eröffnung) geht's los.