Bei den Stadtreinigern ist der Betriebsfrieden weiter gestört. Wie berichtet streitet die Werkleitung seit Jahren mit der Gewerkschaft ver.di sowie dem Personalrat. Die Auseinandersetzung wurde persönlich und mit juristischen Mitteln geführt. Der aktuelle Aufreger des städtischen Betriebes ist die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters.
Roland K. ist blass. Wie ein Häufchen Elend sitzt der Arbeiter der Müllabfuhr im Gerichtssaal. Für den 47-Jährigen steht viel auf dem Spiel: sein Arbeitsplatz bei den Stadtreinigern und seine Ehre. „Ich lüge nicht“, sagt er mit leiser Stimme.
Wolfgang Kleiner betritt mit einem Lächeln den Raum. Für den städtischen Ordnungsreferenten und Werkleiter der Stadtreiniger hat die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht weniger weitreichende Folgen: Er hat K. am 1. Juni fristlos gekündigt. K. hat dagegen geklagt.
Kleiner wirft dem Mann vor, dass dieser sich am 21. April mit seinem Privatauto unberechtigt Zugang zum Parkplatz des Betriebsgeländes in der Aumühle verschafft und dabei eine Schranke beschädigt hat. Betriebsangehörige bezeugen, dass sie ihn dabei gesehen haben. Roland K. hat die Anschuldigung von Anfang an bestritten. Andere Kollegen bezeugen seine Unschuld.
Rechtfertigt alleine der Verdacht einer Sachbeschädigung die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters, der 21 Jahre im Betrieb ist? Bevor das Gericht diese Frage entscheidet, versucht der Richter eine gütliche Einigung zu erreichen. Könnte Kleiner sich vorstellen K. weiter zu beschäftigen? Der Werkleiter schüttelt den Kopf. „Das Vertrauensverhältnis ist zerstört“. Könnte K. in einer anderen Abteilung der Stadt arbeiten? „Nein. Ich will meine Arbeit behalten.“
„Ich habe es doch nicht gemacht“
Letzter Versuch des Richters ist der Vorschlag, die fristlose Kündigung in eine ordentliche umzuwandeln und 30 000 Euro Abfindung zu offerieren. „Das ist deutlich mehr als üblich“, erklärt der Richter dem Kläger und warnt vor dem Risiko, den Vergleich abzulehnen: „Es kann für Sie auch so ausgehen, dass Sie dann ohne Arbeit und ohne Abfindung da stehen.“
Roland K. ist jetzt noch ein bisschen blasser als zu Beginn des Erörterungstermins beim Arbeitsgericht. „Ich habe es doch nicht gemacht“, wiederholt er in der Beratungspause müde das, was er seit April immer wieder beteuert hat. „Auch bei denen im Rathaus, die mir geraten haben, ich soll es doch einfach zugeben und mich bei Kleiner entschuldigen, dann stellt er mich wieder ein“, sagt der Würzburger.
Seit zwei Jahrzehnten arbeitet er bei den Stadtreinigern. Und weil er seine Arbeit ernst nimmt, spricht er Probleme im Betrieb bei seinen Vorgesetzten an. „Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht,“ umschreibt ein Kollege gegenüber der Main-Post vorsichtig die Folgen.
Nachdem sich der Kläger mit seinem Anwalt beraten hat, geht die Verhandlung weiter. K. bleibt hart: „Ich will keine Abfindung, sondern meinen Arbeitsplatz behalten.“
Sein Mut lohnt sich: Am Ende der Sitzung erklärt die Kammer die fristlose Kündigung für unwirksam. „Wenn das Urteil rechtskräftig wird, behält mein Mandant seinen Arbeitsplatz und kommt sein seit Juni nicht ausbezahltes Gehalt – abzüglich der erhaltenen Sozialleistungen“, erklärt Rechtsanwalt Herbert Heitzenröther. Er vermutet, dass für die Entscheidung der Richter die lange Betriebszugehörigkeit sowie die Tatsache ausschlaggebend war, dass der vorgeworfene Vorstoß nicht so gravierend ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Ob die Stadt in Berufung geht, wird laut Werkleiter Kleiner entschieden, wenn die schriftliche Begründung des Urteils vorliegt. Wird es rechtskräftig, würde er es selbstverständlich respektieren und umgesetzten. „Wir werden uns zusammensetzen und einen Weg finden, wie es weiter geht.“
Kleiner rechtfertigt Vorgehen
Die Mutmaßung, dass ein Arbeitsgerichtsprozess auf Probleme der Personalführung hinweise, streitet Kleiner ab. Er hält die Kündigung nach wie vor für gerechtfertigt: „Für mich steht fest, dass der Mitarbeiter bewusst das Eigentum der Stadt beschädigt hat. Damit ist das Vertrauensverhältnis zerstört.“ Kleiner betont, dass die Frage der Schuld vom Gericht nicht geklärt worden ist.
Eine andere Frage ist, wer die Schranke zum Betriebsgelände erneut kaputt gemacht hat. Laut Polizeibericht wurde diese sowie die Reifen mehrerer Müllfahrzeuge in der Nacht zum Mittwoch beschädigt.