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WÜRZBURG: Polizeiseelsorge: Der Mann ohne Uniform

WÜRZBURG

Polizeiseelsorge: Der Mann ohne Uniform

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    Polizeiseelsorger Matthias Zöller ist für den berufsethischen Unterricht der angehenden Polizisten in Unterfranken zuständig.
    Polizeiseelsorger Matthias Zöller ist für den berufsethischen Unterricht der angehenden Polizisten in Unterfranken zuständig. Foto: Foto: Pat Christ

    Vor seinem 50. Lebensjahr wollte er aus der Jugendarbeit aussteigen, erzählt Matthias Zöller. Dies ist ihm auch gelungen: Der 48-Jährige, der sich fast 15 Jahre lang für Jugendliche in der Diözese eingesetzt hat, fungiert seit Jahresbeginn als Polizeiseelsorger. Beamte können nach schwierigen Einsätzen über das Erlebte mit Zöller sprechen. Vor allem aber kümmert sich der Pastoralreferent um 500 junge Leuten, die in Würzburg den Polizeiberuf erlernen.

    Polizist zu sein, das ist ein extrem anspruchsvoller Beruf. Man muss in heiklen Situationen schnell reagieren. In der Bevölkerung stößt man nicht nur auf Sympathie – ganz im Gegenteil: Polizisten werden immer häufiger bespuckt, beleidigt oder angegriffen. Damit fertig zu werden, ist ebenfalls nicht leicht. Man wird mit Suiziden konfrontiert, sieht nach Verkehrsunfällen Schwerstverletzte und Leichen und man muss Angehörigen Todesnachrichten überbringen. Und: Auch abseits der Metropolen können heute Terrorangriffe oder Amokläufe passieren. All das belastet.

    Es braucht ein robustes Nervenkostüm, um schockierende Bilder sowie das Leid fremder Menschen zu verkraften. Unterstützung erhalten die Beamten dabei vom Psychosozialen Dienst der Polizei sowie von der Polizeiseelsorge. Letztere ist bei der III. Bereitschaftspolizeiabteilung Würzburg angesiedelt und für alle Polizistinnen und Polizisten in Unterfranken zuständig.

    Den Angeboten des Psychosozialen Dienstes und der Polizeiseelsorge kommt eine immer größere Bedeutung zu, ist doch heute bekannt, wie schnell psychische Dauerbelastungen krank machen können. Deshalb seien die beiden Einrichtungen dabei, ihren Service auszubauen, informiert Zöller. So wollen die Fachkräfte etwa nicht mehr darauf warten, bis ein Polizeibeamter auf sie zukommt. Ihr Ziel ist es, künftig von sich aus Nachbesprechungen nach heiklen Einsätzen anzubieten.

    Schon während der Ausbildung wird viel dafür getan, dass Polizisten lernen, mit brenzligen Situationen klarzukommen. Ein Puzzlestein dabei ist der berufsethische Unterricht im Lehrschulgebäude der Bereitschaftspolizei, für den Matthias Zöller als Polizeiseelsorger verantwortlich ist. „Wir sprechen hier zum Beispiel über Suizide“, berichtet der Theologe und Sozialpädagoge. Gerade für dieses Thema ist Zöller prädestiniert, war er doch während seines Studiums ein Jahr lang als Praktikant im Würzburger Krisendienst tätig.

    „Die jungen Leute sollen Handlungs- und Haltungssicherheit gewinnen.“

    Matthias Zöller über Ziele der Polizistenausbildung

    Überhaupt kann Zöller viele Erfahrungen aus den vergangenen Jahren in seine neue Aufgabe mit einfließen lassen. Ein Beispiel: Der Seelsorger leitete mit der Kirchlichen Jugendarbeit (kja) in der Diözese acht Jahre lang eine der größten Abteilungen das Bistums, „mit rund 80 Mitarbeitern“. Seine eigenen, 16 und 19 Jahre alten, Söhne sind in dem Alter, in dem viele junge Polizisten in ihre berufliche Karriere starten. Zöller weiß also gut, wie junge Leute „ticken“, welche Fragen und Probleme sie haben. Zugute kommen ihm nicht zuletzt seine Ausbildungen als Telefonseelsorger sowie als Systemischer Coach.

    Gleichzeitig taucht Zöller auch in eine ganz neue Welt ein. „Nach und nach lerne ich den polizeilichen Alltag kennen“, berichtet er. So war der Theologe unlängst bei der Demonstration der rechtsextremen Partei „III. Weg“ in Würzburg mit dabei. Er sah unter welcher Anspannung die Einsatzkräfte standen. Die Polizeiazubis begleitete er vor kurzem bei einer Übung in einem leeren Gebäude, bei der es darum ging, einen simulierten Terroristen zu stellen. im Anschluss sprach er mit den jungen Leute darüber, wie sie die Übung erlebten.

    „Sie befanden sich in einer Grenzsituation“, erklärt Zöller. Das Szenario war so konstruiert, dass sie keine Chance gehabt hätten, den Angreifer zu überwältigen. Wie verhält man sich dann? Die Meinungen gingen weit auseinander. Die einen sagten, dass man als Polizist auch bei hoher Lebensgefahr einschreiten müsse, um Menschen, etwa Kinder in einem Schulgebäude, zu schützen. Die anderen argumentierten, dass man auch an sich selbst denken dürfe und müsse. Vielleicht habe man kleine Kinder: Solle man die bei einem hochriskanten Einsatz um den Vater bringen?

    In der Ausbildung, so Zöller, spielen generell zwei Aspekte eine besondere Rolle: „Die jungen Leute sollen Handlungs- und Haltungssicherheit gewinnen.“

    Für die Handlungssicherheit sind erfahrene Beamte zuständig. Zöller ist der „Mann ohne Uniform“, der die Jugendlichen und jungen Erwachsenen befähigen soll, in Grenzsituationen blitzschnell ethisch reflektierte Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, mit denen sie hinterher gut leben können. Egal, wie eine Situation ausgeht.

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