Am Sonntag, 4. März, wird die evangelische Thomaskirche zur Vesperkirche. Zwei Wochen lang wird in dem Gotteshaus im Stadtteil Grombühl ein Mittagsmahl für einen symbolischen Geldbetrag aufgetischt. Das gab es bisher in Bayern nur in Schweinfurt und, freilich zweifach, in Nürnberg.
Gut zwei Wochen vor dem Würzburger Start hatten sich bereits 75 Helfer als so genannte Gastgeber in die Planungsliste eingetragen. Damit sieht Vesperkirchen-Organisator Wolfgang Kümper die Durchführung auf sicheren Füßen. Die letzten Wochen dienen der „Feinarbeit“, damit es am ersten Märzsonntag heißen kann: „Kommt, denn es ist alles bereit.“ Dafür sorgen laut Kümper „neben den Gastgebern zusätzlich Menschen, die uns als Fotografen unterstützen, zwei Friseusen, eine Fußpflegerin und zahlreiche Kuchenbäcker“.
Besonders freut es ihn und Thomaskirchen-Pfarrerin Karin Jordak, dass die Philipp-Melanchthon-Schule der Diakonie und das Grombühler Jugendzentrum im Lauf der Vesper-Wochen mehrmals Kuchen backen möchten. Die Nagelkreuz-Initiative spendete Schürzen, die Initiative Partner-Kaffee Würzburg Kaffee. Zusätzlich zur Anschubfinanzierung aus dem bayerischen Diakonischen Werk erbrachte eine Crowdfunding-Initiative fast 2000 Euro.
Kümpers Fazit: „Wir haben in kurzer Zeit ein dichtes Netzwerk aufgebaut und sind sicher, dass noch Unterstützer dazu kommen, denn immer noch melden sich fast täglich Menschen, die in irgendeiner Weise mitmachen wollen.“
Wichtig ist der Gemeinde auch, dass zwei ur-evangelische Partner mit im Boot sitzen: Die Johanniter-Unfall-Hilfe misst an vier Tagen Blutwerte und berät über Volkskrankheiten, Erste Hilfe bei Senioren und über den Hausnotruf. Die Diakonie-Sozialstation informiert über häusliche Pflege und Pflegeversicherung, Mitarbeiter der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit KASA geben Hilfestellung für allgemeine Notlagen, zum Beispiel Rente und Hartz IV. Außerdem ist die Diakonie mit Fachkräften des Beratungs-Zentrums präsent und bietet Auskunft über Trennung, Scheidung und Hilfen für Alleinerziehende.
Jordak und Kümper „ist es wichtig, dass dadurch Kirche als helfende Gemeinschaft sichtbar wird und Menschen ansprechen kann, die mit den so genannten klassischen Angeboten der Kirche wie Gottesdiensten und Bibelstunden wenig anfangen können. Wir möchten zeigen, dass Kirche und Diakonie – als Hilfe am Menschen – zwei zusammengehörende Teile eines Ganzen sind.“
Ein Drittel der Gastgeber fanden die Initiatoren über persönliche Beziehungen und dank Vermittlung der Diakoniebeauftragten der Gemeinden im Dekanat. Zwei Drittel kamen über die Öffentlichkeitsarbeit in Zeitungen und im Netz. Deren Motivationen sind vielfältig. Da stellte sich eine 80-jährige Dame vor: „Ich bin vor einem Jahr zugezogen und möchte in Kontakt zu einer Gemeinde kommen.“ Viele leben erst seit Kurzem im Ruhestand und möchten „noch etwas Sinnvolles leisten“. Ein Ehepaar kam aus einem Nachbarort zu einer Einführungsveranstaltung: „Die hat uns so gut gefallen, dass wir uns sofort in die Listen eingetragen haben.“ Eine andere Stimme: „Ich mache mit, weil es mir gut geht! So kann man sich revanchieren.“
Neu in der Diakonie ist Claudia Kaufhold, zugleich Prädikantin in der Thomaskirche. Sie schätzt es, „dass Diakonie sich inzwischen aufmacht und proaktiv in die Stadtviertel geht, um Gemeindeaktivitäten zu unterstützen“. So profitiere die Diakonie „ihrerseits von den Begegnungen im sozialen Raum, statt in Beratungsstellen auf Menschen zu warten“. Kirche müsse zum Menschen gehen, „wenn sie wirklich prägend sein soll für mehr Mitmenschlichkeit“.
Durch eine Vesperkirche nach diesen Grundsätzen werden für Kaufhold „alle gewinnen: die Diakonie durch ihre größere Nähe zu den Menschen, die Kirchengemeinde kann vielleicht auch kirchenfernere Menschen auf sich aufmerksam machen, der Stadtteil bekommt eine neue, inklusivere Form des Miteinanders, die dem schmerzlich wahrnehmbaren Trend der Vereinzelung entgegenwirkt.“
Zehn Tage vor dem Start dieser ersten Aktion in Bayern in einer mehrheitlich katholischen Stadt gab die evangelische Landeskirche bekannt, sie stelle 100 000 Euro für weitere Vesperkirchen zur Verfügung: Jeweils 10 000 Euro zur Anschubfinanzierung und 5000 Euro zur Fortsetzung in einem zweiten Jahr. „Wenn man sieht, wie schön die Vesperkirchen laufen“, sagt Thomaskirchen-Pfarrerin Karin Jordak, „dann ist das gut.“ Ein bisschen schade findet sie, „dass wir nicht mehr dabei sind. Mit der kleinen Hilfe der Diakonie im Rücken haben wir ein Jahr lang auch an der Finanzierung geackert. Jetzt sind sicher, dass wir die zwei Wochen auch budgetmäßig hinbekommen.“
Vesperkirche (ab 4. März täglich von 11 bis 15 Uhr) in der evangelisch-lutherischen Thomaskirche, Schiestlstraße 54, Würzburg, Tel. (09 31) 2 25 18, www.vesperkirche-wuerzburg.de.