Von Jürgen Vorndran
In meiner Kindheit war es immer aufregend, wenn der Nikolaus kam. Mit zunehmenden Jahren dämmerte meinen beiden Schwestern und mir, dass er von meinen Eltern bestellt wurde – aus erzieherischen Gründen. Das ließ in mir den Vorsatz reifen, den Nikolaus später im Leben ganz anders auftreten zu lassen: Einzig mit Lob und Geschenken. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich einmal von Berufs wegen die Begegnung mit dem Nikolaus maßgeblich mitgestalten würde. Der erste Auftritt eines Nikolaus unter meiner Regie hatte es dann auch in sich.
Als neuer Pfarrer in der Stiftspfarrei in Aschaffenburg feierte ich einen Familiengottesdienst mit dem Nikolaus: Das Vorbereitungsteam hatte getagt, die Werbetrommel war kräftig gerührt worden. Die Stiftsbasilika war am 5. Dezember 1999 bis auf den letzten Platz gefüllt. Artig machten die Kinder mit und wurden nur gegen Ende etwas unruhig. Doch dann war es soweit: Die Orgel intonierte „Lasst uns froh und munter sein“, der Nikolaus schritt die Stufen vom Hochchor herab und ging den Kindern entgegen. Dabei schaute er mich fragend an und flüsterte mir schließlich zu: „Wo ist der Sack mit den Geschenken?“
Ich schaute zum Vorbereitungsteam und erntete nur Achselzucken. Das Team war davon ausgegangen, dass der Pfarrer Orangen und Schokolade vorbereiten würde – wie es mein Vorgänger immer getan hatte. Es half nichts: Es war kein Sack mit Geschenken da! Der Nikolaus hatte leere Hände und stand inzwischen vor der Kinderschar…
Ich werde nie vergessen, was dann passierte: Der Nikolaus lobte jedes Kind, hielt dabei immer Blickkontakt mit den Eltern und machte das Thema des Familiengottesdienstes nochmals stark: „Die Vorfreude ist die schönste Freude!“ Noch etwas Geduld, heute Nacht werde er auf leisen Sohlen durch die Straßen ziehen und jedem Kind eine gute Gabe vor die Türe legen. Schließlich sei erst morgen der Nikolaustag!
Spät am Abend sah man die Vorbereitungsgruppe mit dem Pfarrer durch die Stadt streifen. Es gab viele Gespräche mit den Eltern. Orangen und Schokolade wurden zusammengelegt und als Nikolauspäckchen gerichtet.
Als neuer Generalvikar mit Start im Corona-Jahr 2020 muss ich oft an den Nikolaus mit leeren Händen denken...
Jürgen Vorndran ist Generalvikar des Bistums Würzburg.
In der Kolumne „Würzburger Adventskalender“ erzählen Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten rund um Advent und Weihnachtsfest.
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