Jetzt, wo sein Heimatort Oberwerrn doch so langsam eingeschneit wird, sitzt Benjamin Freund, langjähriger Führungsspieler der FT Schweinfurt, gemütlich am anderen Ende der Welt, in Brasilien. „25 Grad haben wir jetzt am Abend noch“, meint Freund. Er befindet sich gerade auf einem Campingplatz in Bahia. Und dort ist Sommer. „Ein bisschen durch Brasilien reisen noch, bevor es Ende Januar wieder heim geht.“ Tiefenentspannt sieht Freund aus. Ein halbes Jahr war der 26-jährige Sportökonomie-Student nun in Floriapolis, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Santa Catarina, ganz im Süden des Landes mit mehr als 40 Stränden. Ein Austauschsemester an der Universiät der 420.000-Einwohner-Stadt. Die Wirtschaftskurse wurden auf Englisch gehalten, die Sportfächer auf Portugiesisch. Die hierzulande bekanntesten Floriapolianer dürften der Tennis-Profi Gustavo Kuerten sowie die Fußballprofis Michel Bastos, Felipe Santana (beide Ex-Schalker) oder Roberto Firmino (Ex-Hoffenheim) sein. Schließlich hatte die Metropole auch zwei Erstligisten: Figuerense FC und Avai FC.
Meer vor der Haustüre
„Ich bin Fan von letzterem“, sagt Freund. „Da waren wir oft bei den Heimspielen, leider ist der Verein jetzt unglücklich abgestiegen.“ Was aber den Emotionen im Stadion offenbar keinen Abbruch tat. „Es ist unglaublich, was in Brasilien in den Stadien abgeht. Es gibt keine reinen Fanblöcke, so wie bei uns, rundherum im Stadion wird immer gesungen, gefeiert und angefeuert – und es werden ständig die Schiedsrichter beschimpft. Wahnsinn, was die sich anhören müssen.“
Nun ist Brasilien nicht gerade das typische Ziel, das sich ein Student für ein Auslandssemester aussucht. „Neben der Auslandserfahrung und dem Erlernen der Sprache wollte ich einfach wissen, wie es ist, am Meer zu wohnen“, begründet der angehende Sportökonom die Wahl grinsend. In der Tat, das Studentenwohnheim war keine zehn Minuten vom Meer entfernt. Zusammen mit Freund ging auch ein weiterer Unterfranke, sein Bayreuther Studienkollege Christian Graber nach Floriapolis. Auch ein Fußballer, denn Graber spielt bei DuO 09 Dettelbach in der Kreisliga Würzburg 1 im Mittelfeld. Neben dem Studium hatten die beiden Kicker noch einen anderen Traum: „Wir wollten unbedingt in Brasilien mit den Einheimischen Fußballspielen, nicht nur am Strand, sondern in irgendeinem Verein.“
Die Unterfranken hatten Glück: Ein Bekannter, der in ihrem Wohnheim arbeitete, nahm die Beiden mit zu seinem Klub – wo die Deutschen sofort willkommen waren. „Die Teamkollegen waren so zwischen 25 und 30 und das einzige, was sie sagten war: 'Bei uns habt ihr Deutschen das aber nicht so leicht, wie eure Nationalmannschaft beim 7:1.' Auf das Halbfinale bei der WM wurden wir sowieso überall angesprochen.“ So schlossen sich Freund und Graber also dem Verein mit dem „bescheidenen“ Namen „Gigante Futbol Clube“ an. Ein offizieller, regelmäßiger Spielbetrieb in der Seria C der „Copa Floria“ mit 16 Teams. Zudem spielten sie mit insgesamt 32 Mannschaften in einem Pokalwettbewerb, dem „Metropolitan Cup“. Möglich war das, weil dieser Spielbetrieb nicht von der FIFA organisiert wird, den Unterfranken blieb also die ganze Bürokratie eines internationalen Spielerwechsels erspart. „Trotzdem mussten wir bei jedem Spiel unseren Pass vorzeigen, das wurde schon kontrolliert.“
Pokal bleibt in Brasilien
Allerdings mussten sich die Deutschen komplett umstellen. „Die spielen auf Kunstrasen, auf dem Viertel eines Spielfeldes und auch nur 2 Mal 25 Minuten mit sieben Mann bei fliegendem Wechsel und zwei Schiedsrichtern.“ Die Regeln seien eher wie beim Futsal gewesen. „Grätsche ist total verboten, eine Gelbe Karte zieht eine Zwei-Minuten-Strafe nach sich und bei fünf Mannschaftsfouls gibt es einen Penalty.“ Auch spielerisch und von der Mentalität her prallten Welten aufeinander. „Den Brasilianern klebt der Ball am Fuß“, sagt Freund, „die wollen am liebsten alleine über das gesamte Feld spazieren und das Tor machen. Und natürlich will auch jeder den Ball haben.“ Die unterfränkische Spielweise, zwei, drei Kontakte, dann abgeben und Kurzpassspiel sei den Brasilianern völlig unbekannt gewesen. „Wir waren die einzigen Ausländer in der ganzen Liga.“
Aber offenbar tat das deutsche Element dem Spiel der „Gigantes“ gut. Nicht nur, dass die Beiden zu den erfolgreichsten Torschützen gehörten. In der Liga (nach der Vorrunde wird im K.-o.-System der Titel ausgespielt) schafften sie es bis ins Viertelfinale. Und im Pokal wurde der Verein nach einem unglücklichen Halbfinal-3:4 Dritter nach einem 4:2 im Spiel um Rang drei. „200 Fans hatten wir bei jedem Spiel, die lautstark für uns gesungen haben.“ Die Freude über den Pokal und die Bronzemedaillen war umso größer, war es doch der erste Pokal, den die „Gigantes“ überhaupt in ihrer Vereinsgeschichte gewonnen hatten. „Wir haben ihn über Nacht mit ins Wohnheim genommen und wollten ihn eigentlich mit nach Hause nehmen“, grinst Freund, „aber der Trainer hat uns gleich angerufen und eindringlich auf die Rückgabe gepocht.“
Abschied von den Turnern?
So nimmt Benny Freund also nur die brasilianische Einstellung mit nach Hause. „Der Zusammenhalt im Team war unglaublich. Auch, wie man sich da gegenseitig angefeuert hat. Da wurden nicht nur Tore bejubelt, auch jeder gewonnene Zweikampf, ja sogar jeder Befreiungsschlag. Das war sehr motivierend. Davon würde ich mir auch zu Hause mehr wünschen.“ Immerhin hat Freund nach dem bitteren Landesliga-Abstieg mit der FTS am anderen Ende der Welt die Freunde am Fußballspiel wieder gewonnen.
Nach der Winterpause will er wieder einsteigen. Allerdings nicht automatisch bei den Freien Turnern, wo sein Spielerpass noch liegt und die den 26-jährigen Routinier gut gebrauchen könnten. „Vielleicht suche ich noch einmal die Herausforderung in einer höheren Liga.“ Eine Klasse höher sollte bei Freund locker drin sein, schon vor eineinhalb Jahren hatte er ein Angebot vom damaligen Bayernligisten Neudrossenfeld, entschied sich dann aber doch, an der Maibacher Höhe zu bleiben. „Zudem habe ich auch inzwischen meinen Trainerschein gemacht.“ Mit der B-Lizenz könnte Freund also auch als Spielertrainer anheuern. „Mal sehen, was sich ergibt, wenn ich wieder zu Hause bin.“