Oliver Polak war der Jungstar der deutschen Fernsehunterhaltung. Er assistierte bei Stefan Raab und moderierte die Comedy-Serie „VIVA-Family“ gemeinsam mit Nadine Krüger und Enie van de Meiklokjes. Inzwischen ist er 30, hat ein Buch geschrieben („Ich darf das, ich bin Jude“, erscheint am 22. September) und macht Kabarett. Oliver Polack ist Jude und sticht dahin, wo es wehtut. Ein Gespräch darüber, wie weit jüdischer Humor gehen darf.
Frage: Das Umschlagfoto Ihres Buchs „Ich darf das, ich bin Jude“ wirkt sehr provozierend: Sie halten einen altdeutschen Schäferhund an der Leine, der hat eine Waffen-SS-Mütze auf und einen Davidstern um den Hals . . .
Oliver Polak: Finden Sie? Möglicherweise ist der Bezug des Covers zum Inhalt nicht so leicht zu verstehen. Das macht das Ganze ja so reizvoll, oder?
Das Bild soll Ihre Situation, als Jude in Deutschland zu leben, widerspiegeln. Sind Sie auf negative Reaktionen gefasst?
Polak: Die wird es sicher geben. Ich finde die Aussage des Covers sehr wichtig, ansonsten hätte ich's nicht so gewählt. Sollte sich jemand fälschlicherweise angesprochen fühlen, tut es mir leid. Mein Buch ist keine Autobiografie und auch keine endgültige Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema. Es ist einfach ein Buch von einem Komiker. Ich mag den Umschlag sehr gerne.
Ihre Großeltern wurden im KZ Buchenwald ermordet.
Polak: Das ist eine Tatsache, über die man nicht lacht. Wenn ich darüber länger nachdenke, macht es mich traurig. Manche Sachen im Leben sind so traurig, dass man sie nur mit Humor ertragen kann.
„Judentum ist ja nicht nur die Bibel und das Orthodoxe“
Oliver Polak
Als Sie auf die Welt kamen, bestand die jüdische Gemeinde in Papenburg aus zwei Mitgliedern: Ihrem Vater und Ihrer Mutter. Fühlten Sie – einziger jüdischer Teenager – sich als etwas Besonderes?
Polak: Es war auf jeden Fall anders. Bei uns zu Hause gab es weder Osterhasen noch Weihnachtsmänner. Mein Penis sah anders aus als der von anderen Jungs, und ich durfte auch nicht auf die Messdienerfreizeiten mitfahren. Das alles habe ich schnell akzeptiert. Ich hatte ohnehin niemanden in meinem Alter, mit dem ich das mal ausdiskutieren konnte.
Die Brit Mila, also der „Bund der Beschneidung", ist das älteste jüdische Ritual. Für die Eltern ist sie eine äußerliche Ausdrucksform des Glaubens und der Tradition, in die hinein das Kind geboren wurde und die sie ihm vermitteln werden. Hat die Beschneidung auch eine Bedeutung für Sie?
Polak: Meine Beschneidung wurde von einem Beschneider und einem Rabbiner in einem Krankenhaus durchgeführt. Sie hat insofern eine Bedeutung, dass ich es viel geiler finde, beschnitten zu sein. Die Vorhaut zu sehen, finde ich ekelerregend. Viele Amerikaner sind aus hygienischen Gründen beschnitten.
Gibt es neben Neo-Hippies, Punks und Gothics auch eine spezielle junge jüdische Weltanschauung?
Polak: Ich glaube schon, dass es eine eigene Weltanschauung gibt. Juden in meinem Alter laufen nicht in orthodoxen Klamotten herum und halten Schabbat. Sie beachten aber schon bestimmte Sachen. Sie haben sich ihre Religion für sich zurechtgeschustert. Judentum ist ja nicht nur die Bibel und das Orthodoxe. Es geht auch darum, Festtage zusammen zu verbringen. Es ist etwas sehr Soziales. Einmal wollte ich allein zur Synagoge gehen, wurde aber prompt nicht reingelassen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch blond gefärbte Haare. Man wollte mich aus Gründen der Sicherheit nicht reinlassen. Das hat mich ein bisschen abgetörnt. Ich hatte zwar meinen Ausweis dabei, aber auf dem ist mein Schmock leider nicht abgebildet. Es war zum Glück jemand da, der mich kannte und reinholte.
Als Schüler hatten Sie Kontakte zu Neonazis. Aus Neugier oder aus Naivität?
Polak: Ich habe mit 16 angefangen zu rauchen. Die Jungnazis standen da auch immer rum und rauchten, dann hat man halt miteinander geredet. Das waren keine Hardcore-Neonazis. Die haben nicht deinen Kopf irgendwo hingelegt und sind draufgesprungen. In Papenburg gab es an allen Ecken Rechtsextremismus. Ich war der einzige jüdische Junge. Weil meine Eltern ein Bekleidungsgeschäft hatten, kannte mich jeder. Vieles, was von den Rechten kam, war nur Provokation.
Sie machen nicht den Eindruck, als könnte Sie der Rechtsextremismus in Deutschland erschüttern.
Polak: Leute, denen ich mein Buch zum Lesen gab, waren der Meinung, ich müsste darüber viel extremer schreiben. Vielleicht stehe ich da drüber. Im Nachhinein habe ich überhaupt kein schlechtes Gefühl, was meine Erlebnisse mit Rechtsextremen betrifft. Einem Russlanddeutschen, der allein auf dem Land lebt, würde es wahrscheinlich nicht anders ergehen als mir damals.
Die Party zu Ihrem 18. Geburtstag wird, so formulieren Sie in Ihrem Buch, „bis heute in Papenburg in einem Atemzug mit der Reichspogromnacht“ genannt. Der jüdische Witz ist für seinen tiefsinnigen und schwarzen Humor bekannt – und für seine Stärke, Menschen selbst angesichts des eigenen Leids zum Lachen zu bringen. Gilt das auch für Ihren Humor?
Polak: Jüdischer Witz ist schwarz und selbstironisch. Mir wird öfter gesagt, ich würde provozieren. Ich nehme das aber ganz anders wahr. Provokation um ihrer selbst willen wäre mir zu billig. Ich wurde immer für Comedyserien besetzt, wollte aber lieber etwas Eigenes machen. Also habe ich mein Leben zur Grundlage meines Comedyprogramms gemacht. Wenn Woody Allen, Robin Williams, Bill Murray und Steve Martin auf die Bühne gingen, hatte man immer das Gefühl, sie erzählten aus ihrem Leben. Genauso möchte ich es machen.
Sie werden oft eingeladen, um den Vorzeigejuden zu geben.
Polak: Für mich hat es immer einen schalen Beigeschmack, wenn sich Leute mit etwas schmücken, was gar nicht Teil von ihnen ist. Das geht soweit, dass Leute versuchen, sich an einem zu therapieren. Ich kriege manchmal Anfragen und wundere mich, was die von mir wollen. Ich bin natürlich gegen Nazis, aber ich fühle mich nicht wohl, auf politischen Veranstaltungen aufzutreten.
„Ich bin Deutschland-Fan, aber ich mag generell keinen Nationalismus“
Oliver Polak
Wie hat sich die Situation des Judentums in Deutschland verändert?
Polak: Darüber habe ich nie bewusst nachgedacht. Ich führe mein eigenes Leben und spüre dabei, dass es als Jude in Deutschland nicht immer leicht ist. Man wird zwar nicht mit Steinen beworfen, aber es wird einem zum Beispiel vorgeworfen, was die Juden in Israel tun. Ich lebe aber in Berlin-Mitte und nicht in Jerusalem. Irgendwann wird man müde, solche Diskussionen zu führen.
Blickt man als Jude in Deutschland automatisch vom Rand auf die Gesellschaft?
Polak: Ich sehe mich als Deutschen. Wenn ich zusammen mit meinen politisch interessierten Freunden am Tisch sitze, habe ich vielleicht andere Gedanken, neige aber nicht zur Schwarz-Weiß-Malerei. Zum Beispiel finde ich es befremdlich, wenn in Deutschland Palästinensertücher als Modeaccessoire benutzt werden. Natürlich kann das jeder machen, wie er will, aber dieses Tuch wurde von Arafat symbolisch benutzt: Er hat Kindern Waffen in die Hand gedrückt und gesagt, sie sollen damit auf jüdische Kids schießen. Ich finde es auch fragwürdig, wenn deutsche Bands mit deutschen Symbolen spielen oder Fußballfans ihre Fähnchen in den Wind halten. Ich bin Deutschland-Fan, aber ich mag generell keinen Nationalismus.
Oliver Polaks Buch „Ich darf das, ich bin Jude“ (Kiwi, 224 Seiten, 8,95 Euro Euro) erscheint am 22. September.