Ein Schmunzeln lag auf den Gesichtern vieler Konzertbesucher bei den ersten Tönen von Jan Lisieckis Klavierabend beim Würzburger Mozartfest im Kaisersaal. Mozarts zwölf Variationen über „Ah, vous dirai-je Maman“, hierzulande besser bekannt als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“, bei hochsommerlichen Temperaturen schienen aus der Zeit gefallen. Die Heiterkeit wich schnell staunender Aufmerksamkeit, als Lisiecki mit glasklarer Diktion zu spielen anhob. Jeder einzelne Ton leuchtete in makelloser, fast rosiger Schlichtheit.
Von romantischen Nachtstücken sollte im weiteren Verlauf des Abends die musikalische Rede sein. Was der junge Pole an Farben und Gefühlen auspackte, zeichnete ein schier unerschöpfliches Kaleidoskop an Nachtbildern. Unheimlich und abgründig ging es zu bei Robert Schumanns erstem Nachtstück op. 23, dessen erster Satz ursprünglich mit „Leichenzug“ überschrieben war. Die düstere Schwärze ließ schaudern, die trunken schwankende „kuriose Gesellschaft“ heilte die Erschütterung kaum.
Lisiecki hatte nach den ersten Takten seinen Vortrag wegen eines Martinshorns abgebrochen. So hatten die Zuhörer die Gelegenheit, diesen noch einmal zu lauschen und feinste Veränderungen wahrzunehmen.
Lisieckis Spiel ist tief und wissend, er kennt seine Partituren genau und steht mit ihnen in ständigem Diskurs. So schien er auf Antworten zu warten, wenn er sein Spiel unmerklich verzögerte und dann wieder Fahrt aufnahm.
Schweißgebadet
Mit Maurice Ravels „Gaspard de la Nuit“ steuerte der Pianist auf einen Höhepunkt zu. Quirlig irisierend zeichnete er die Wassernixe Undine, um mit beharrlicher Konsequenz sodann das Totenglöckchen in „Gibet“ (Galgen) zu läuten. Schweißgebadet ging Lisiecki in die Pause, was nicht nur den hohen Temperaturen im Saal geschuldet war. Eine fast übermenschliche Präzision und Gefühlsverausgabung mag zu dieser Höchstleistung beigetragen haben.
Die vielen Gesichter der Nacht, aber auch des Pianisten Lisiecki zeigten sich bei den fünf Fantasiestücken op. 3 von Sergej Rachmaninow. Nach Chopins Nocturne e-Moll op. 72/1 und Scherzo h-Moll op. 20 schloss sich der Kreis zu der anfangs bereits angedeuteten reinen Klarheit mit der Zugabe, Schumanns „Träumerei“ wieder.
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