Nun ist das Problem sogar bei unserer Kanzlerin angekommen! Anlässlich eines Besuchs der Zentrale des Goethe-Instituts in München wünschte sich Angela Merkel, die Deutsch als „attraktive Sprache“ bezeichnete, mehr deutsche Entsprechungen für englische Fachbegriffe. Ein wirklich frommer Wunsch der Pastorentochter, wo doch die Entwicklung in eine ganz andere Richtung geht. Denn liebgewonnene Wörter werden in schwindelerregender Geschwindigkeit englisch umgemünzt, so dass es keinen Preis mehr zu gewinnen gibt, sondern einen „award“, und auch statt „Zeugnis“ wird laut Merkel verschiedentlich schon „assessment report“ gesagt. Dabei trägt die Politik ein gehöriges Maß an Mitschuld an dieser Entwicklung. Wenn staatliche Aktionen stets englische Bezeichnungen tragen („brain up“, „be smart don't start“, „job floater“, „cluster Initiative“, „fit for job“ und so weiter), so trägt dies zur Flucht aus der eigenen Sprache bei.
Ein Beispiel dafür, dass es auch anders geht: Leute sprechen manchmal Klartext, geben ihre Meinung zum Besten und Experten eine Stellungnahme ab. Manch einer nimmt auch einen Standpunkt ein oder bezieht in einer bestimmten Sache Stellung. Wenn es heftiger zugeht in der Diskussion, pocht mancher auf seine Meinung. Wenn jemand unbelehrbar erscheint, wird ihm sogar einmal die Meinung gegeigt; obwohl sicherlich die meisten, die dies tun, noch nie eine Geige in der Hand hielten. Staatsmänner können also ihren Gesichtspunkt erläutern, ohne den neumodischen, all diese Redewendungen verdrängenden Begriff zu gebrauchen: ein „statement“ abgeben.
Jetzt sprießen überall Ideen aus dem Boden, möglichst frühzeitig Kindern (Verzeihung: „kids“) Englisch nahezubringen. Folgerichtig gibt es englischsprachige Kindergärten und Schulen. Da darf das Fach Deutsch immerhin noch in dieser Sprache unterrichtet werden, alles andere läuft im Schnullerenglisch oder schon Kaugummienglisch ab. Wir meinen, es sollte erst ein eigenes, starkes sprachliches Fundament geschaffen werden, auf das dann die eine oder andere Fremdsprache draufgesetzt werden kann.
„Man muss um die deutsche Sprache kämpfen“, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel erst vor wenigen Tagen gesagt. Ganz richtig, dies versucht der Verein Deutsche Sprache (VDS) als Bürgerinitiative mit der Gestaltung des Tages der deutschen Sprache im Allgemeinen und die VDS-Regionalgruppe „Sprachkultur Mainfranken“ mit der jährlichen Verleihung eines Sprachbewahrerpreises im Besonderen. Die Politik könnte unserer Forderung nachkommen, die deutsche Sprache durch unsere Verfassung zu schützen – auch indem man den sprachlichen Verbraucherschutz festschreibt.
Es ist ein Skandal, dass viele wichtige Hinweise nur englisch dargeboten sind, nach dem Motto: Das versteht ja sowieso jeder. Wer hat nicht schon einmal beobachtet, wie Menschen, die des Englischen nicht mächtig sind, bei einem neuen Gerät alle Knöpfe durchprobieren, bis die Funktion erkannt wird? Es mag schon eine Zeit her sein, dass es noch Bezeichnungen wie „ein, aus, Sender, laut, leise, heiß, kalt, Schalter, Stecker“ und so weiter gab. Aber es müsste doch auch heute möglich sein, mit Deutschkenntnissen und ohne Fremdsprache durch das Alltagsleben zu kommen. Waren das noch Zeiten, als man nur von einer (Eis)diel(e) wusste – und nicht ein Handel, eine Abmachung oder ein Vertrag („deal“) so genannt wurden.
Wir müssen etwas für unsere Sprache tun, um unsere geistige Schärfe zu behalten und um auf wissenschaftlichem und technischem (nicht technologischem) Gebiet auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Es denkt und spricht sich in der Muttersprache allemal noch am besten.
Zur Person
Dr. Bernhard Sturn Der 55-jährige Arzt aus Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) ist Vorsitzender der Regionalgruppe des bundesweiten Vereins Deutsche Sprache (VDS). Mit dem Tag der deutschen Sprache, der jährlich am zweiten Samstag im September begangen wird, will der VDS auf den unkritischen Gebrauch von Fremdwörtern hinweisen sowie den Sinn für die Ausdruckskraft der deutschen Sprache stärken.