Im Badischen Wörterbuch von 1925 ist zu lesen, dass in Boris Beckers Heimat der Begriff Bobbele „kindischer Mensch, geistig Beschränkter“ bedeutet. Das Kosewort scheint nicht zutreffend für Becker, der statt der „ähs“ und „öhs“ längst in kompletten Sätzen spricht und sich konsequent selbst vermarktet.
Becker hat eine Art Sonderstatus, genießt bei den Paparazzi so etwas wie diplomatische Immunität. Denn sie müssen ihn nicht jagen wie andere Berühmtheiten, Boris liefert freiwillig und regelmäßig.
Andere Promis wie Caroline von Monaco bemühen Gerichte, um ihr Privatleben vor der Presse zu schützen. Boris Becker trägt selbst Intimes – ob Heiratsantrag oder Trennungsgrund – an die Öffentlichkeit, immer auf der Suche nach der nächsten Schlagzeile. Dafür genießt er bei den Jägern des verlorenen Satzes Narrenfreiheit wie sonst nur noch Franz Beckenbauer, die andere Ikone des Sports, an der im Gegenzug keiner kratzen will.
Einst war er Bum-Bum-Boris, eine Mixtur aus gewaltiger Schlagkraft und jungenhafter Hilflosigkeit, gut für dramatische Siege und tragisches Scheitern – auf dem Tennisplatz, im Geschäftsleben und in der Liebe. Inzwischen ist er ein Opfer des eigenen Erfolges, nur noch berühmt dafür, dass er berühmt ist.
Die Deutungshoheit über sein Leben überlässt der clevere Medien-Inszenierer nicht mehr anderen. Bei Kurzzeitaffären wie der mit Sängerin Sabrina Setlur bekamen Fotografen vorher Tipps, wo sie das Paar treffen konnten. Und als seine Scheidung von Barbara Feltus in einer Schlammschlacht zu enden drohte, kam er dem Interview der Gattin mit der „Bunten“ zuvor, indem er rasch dem „Spiegel“ seine Sicht der Dinge verriet. Hier galt wie auf dem Tennisplatz: harter Aufschlag, ran ans Netz und den Gegner zu Fehlern zwingen. Der stärkere Wille zum Sieg machte einst den Unterschied aus zwischen dem Sportler Becker und schlechteren Spielern. Die Gier nach Anerkennung ist jetzt aber auch sein Fluch. Boris Becker braucht die Öffentlichkeit wie ein Junkie sein Kokain.
Das Leben anderer Ex-Sportstars mag leer wirken wie der Geldbeutel unseres Finanzministers Peer Steinbrück. Aber ist es so viel besser, sich als rastloser 41-jähriger Bum-Bum-Playboy ständig beobachten zu lassen, mit wem man gerade das Hotelzimmer, den Liegestuhl am Schwimmbecken oder den Nachtisch im Nobellokal teilt? Frauen, die neben ihm wirkten wie (mehr oder minder geschmackvolle) Siegerpokale, durften Berufsvoyeuren Sätze in den Block diktieren wie „Seine maßlose Kraft wirkte bezaubernd“ (Anna Ermankowa, die Geliebte aus der Besenkammer), oder: „Ich habe für unsere Liebe gekämpft, bis es nicht mehr ging“ (Sandy Meyer-Wölden).
Konsequent trieb Becker jetzt die Seifenoper dem Höhepunkt entgegen. Wo sonst als in Thomas Gottschalks „Wetten, dass . . .“ konnte er seine Hochzeit verkünden? Wo, wenn nicht in „Bild“, kann die blonde Sandy am Tag vor der Hochzeit giften, auch sie habe einen neuen Freund? RTL überträgt exklusiv das Jawort, als sei es eine Königshochzeit – oder eine Dauerwerbesendung von Becker für Becker.
Was kommt danach? „Sieg ist eine unglaubliche Lust“, diktierte Becker einst vielsagend. „Eine Frau kann einem diese Befriedigung nicht geben.“ Ein gutes Omen für die gerade geschlossene Ehe ist der Satz nicht. Doch er gibt einem zu denken: Vielleicht ist Boris Becker doch ein Bobbele geblieben.