Sehr geehrte Frau Brunschweiger, Kinder sind für Sie also eine Umweltsünde und Frauen, die Kinder kriegen, rückständig und unglücklich. Kinder schaden nach Ihrem Verständnis nicht nur der eigenen Selbstverwirklichung, sondern mehr noch dem Klima und damit der Erde. Das also ist Ihr Beitrag zur Rettung der Welt. Fällt Ihnen wirklich nichts Besseres ein, als Millionen von Eltern und Frauen mit derlei bizarren Weltuntergangs-Szenarien aufzuschrecken und zu beleidigen? Mütter vor den Kopf zu stoßen, die an diesem Sonntag mal wieder ihren Ehrentag feiern? "Kinderfrei statt kinderlos" heißt Ihr kürzlich erschienenes Buch – und ich frage mich, was da der Gegensatz im Titel soll. "Das ist kein Buch gegen die Kinder, die schon da sind", sagten Sie in einem Ihrer zahllosen Interviews. "Ich spreche mich nur dagegen aus, noch mehr Menschen in die Welt zu setzen." Als würde das etwas ändern an Ihrer windschiefen Gedankenhütte.
Sie wollen keine Kinder, das ist Ihr gutes Recht. Aber woher rührt diese Häme gegenüber Frauen, die sich anders entscheiden? Warum dieser Angriff auf die heile Familie? Und: warum diese moralische Überhöhung? Sie könnten einfach sagen: Die Mutterrolle liegt mir nicht, ich mag mein kinderloses Leben. Stattdessen maskieren Sie Ihren Radikalfeminismus mit pseudowissenschaftlichen Thesen, die Sie noch dazu als Ultima Ratio im Kampf um das Universum darstellen.
Sie sagen nicht: Der Mensch schadet dem Klima, was jeder unterschreiben könnte. Sie sagen: "Ein Kind ist das Schlimmste, was man der Umwelt antun kann." Das ist nicht nur ethisch mindestens umstritten – es ist auch wissenschaftlich wenig fundiert. Gerade von einer Akademikerin und Lehrerin hätte man mehr Differenziertheit und Expertise erwarten können. In Ihrem streitbaren Kernsatz – jedes nicht in die Welt gesetzte Kind bedeutet eine CO2-Einsparung von rund 50 Tonnen im Jahr – beziehen Sie sich auf eine Studie der Universität Vancouver. Diese 20 Monate alte Studie aber darf man zumindest in Zweifel ziehen, denn sie gründet auf einer Untersuchung aus dem Jahr 2009, die keinerlei Referenzwerte für Deutschland, noch nicht einmal für irgendein europäisches Land, liefert.
Die mit ihr befassten US-Wissenschaftler gehen darin einfach davon aus, dass künftige Weltbürger ihr Leben lang rechnerisch genauso viele Treibhausgase ausstoßen wie der heutige Durchschnitt. Diese bis ins Jahr 2400 reichende Hochrechnung auf Basis heutiger Werte ist zwar nicht zu widerlegen, hat aber mit wissenschaftlicher Seriosität ungefähr so viel zu tun wie eine Bauernregel mit dem Wetterbericht. Weder Sie noch ich wissen, wie sich künftige Generationen fortbewegen, womit sie heizen und woraus sie ihren Strom gewinnen.
Ginge es Ihnen ernsthaft ums Klima und um ein "Manifest", würden Sie den Fokus auf andere Dinge legen. Wir rasen uns – mit dem Segen eines als Verkehrsminister getarnten Auto-Lobbyisten – weiter um Sinn und Verstand. Wir verbrennen auch die nächsten Jahre – wider jede ökologische Vernunft und vom Steuerzahler subventioniert – massenhaft Braunkohle, und wenn uns einer fragt, wo der Strom für unsere schicken Elektroautos herkommt, antworten wir selbstbewusst: aus der Steckdose. Daran hätten Sie Ihren Zorn ausrichten können. Sie könnten mit Ihren Schülern auch wirksame Methoden diskutieren, was jeder einzelne von ihnen für die Umwelt tun kann. Aber das ist natürlich nichts für die große Bühne.
Stattdessen erheben Sie sich zu einer Art Anti-Päpstin, die zur Kein-Kind-Politik aufruft, und schwingen unter dem Mantel hehrer Klimaschutzziele die feministische Keule. Sie verzerren, jammern, klagen an: wieviel mehr Steuern Sie als Kinderlose bezahlen, dass Sie Schulen oder Kitas mitfinanzieren – die ganze Schublade an Klischees, das ganze Arsenal einfacher Wahrheiten, wie sie in einschlägigen Debatten immer wieder zu hören sind. Als Vater zweier Kinder möchte ich Ihnen sagen: Eltern bekommen vom Staat nichts geschenkt, sie zahlen drauf. Jedes Kind kostet sie – im Übrigen nach seriösen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes – mindestens 120 000 Euro, bis es auf eigenen Beinen steht. Der Staat wiederum verdient – nach Abzug aller Förderkosten – netto rund 70 000 Euro mit jedem Kind, das nachher zum Steuerzahler wird. Dabei ist der Wert eines Kindes sowieso nicht in profanen Zahlen zu beziffern.
Mit freundlichen Grüßen
Eike Lenz
Der Diskussionszeitraum für diesen Artikel ist leider schon abgelaufen. Sie können daher keine neuen Beiträge zu diesem Artikel verfassen!