Während Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Wochenende in Südspanien ihre Allianz in der Migrationspolitik besiegelten, spielten sich im nahen Meer Dramen ab. Der spanische Seenotrettungsdienst fischte in den letzten Tagen wieder hunderte Flüchtlinge und Migranten aus dem Wasser. An der südspanischen Küste treiben inzwischen mehr Flüchtlingsboote als in Italien an. Bei langen Spaziergängen durch die Sanddünen und die Kiefernwälder des berühmten Donana-Naturparks, der gleich an der südspanischen Küste liegt, setzten Sánchez und Merkel am Sonntag ihre Gespräche fort, die sie am Samstag am Konferenztisch begonnen hatten. Sánchez hatte die Kanzlerin auf seinen Sommersitz eingeladen, der am Rande des Donana-Parks liegt. Auch Merkels Ehemann Joachim Sauer und Sánchez? Frau Begona Gómez waren dabei.
Es war ein Wochenende der Harmonie zwischen der konservativen Merkel und dem Sozialisten Sánchez, auf dem sie eine neue Nord-Süd-Achse in der Migrationspolitik zimmerten. Sie demonstrierten Einigkeit beim Willen, die Migration übers Mittelmeer zu bremsen, und zwar mit gemeinsamen Lösungen. Etwa mit einer besseren Absicherung der südeuropäischen Seegrenze. Und einer besseren Zusammenarbeit mit dem gegenüberliegenden Marokko wie auch mit den afrikanischen Herkunftsländern.
Signal gegen Sekundärmigration
Als kleines Willkommensgeschenk hatte Sánchez vor dem Treffen den Weg für eine schnelle und unbürokratische Rücknahme von Asylbewerbern freigemacht, die bereits in Spanien einen Antrag stellten. Die Vereinbarung betrifft nur jene über Spanien eingereisten Asylsuchenden, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden– was sehr wenige sind, weil die meisten offenbar über Frankreich nach Deutschland kommen.
Trotzdem wurde dieser Vertrag von beiden Seiten als Signal gewertet, dass Deutschland und Spanien gemeinsam gegen die sogenannte Sekundärmigration, den unkontrollierten Weiterzug von Asylbewerbern innerhalb Europas, vorgehen wollen. „Ich schätze dieses Abkommen sehr, sehr hoch“, sagte Merkel. Mit Griechenland werde derzeit über eine ähnliche Vereinbarung gesprochen. Nur mit Italien scheint es in dieser Frage noch zu haken. Merkel und Sánchez sprachen zudem über eine Reform der Dublin-Verordnung, die ebenfalls die Rückführung von Flüchtlingen regelt. Nach der EU-Dublin-Vereinbarung müssen Flüchtlinge eigentlich in dem Mitgliedsland ihren Asylantrag stellen, in dem sie europäischen Boden betreten – was aber oft nicht geschieht. „Wir alle erleben doch, dass das bisherige Dublin-System nicht funktionsfähig ist“, sagte Merkel. „Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder Flüchtling in Deutschland ankommen.“
Merkel mahnt Fortschritte an
Wenn deutsche Behörden derzeit in Spanien, Italien oder Griechenland unter Verweis auf die Dublin-Verordnung auf die Rücknahme von Flüchtlingen drängen, wird diese Bitte meist abgelehnt. Im Falle Spaniens hatte Deutschland im Jahr 2017 genau 2312 Dublin-Rückführungen beantragt, die spanischen Behörden stimmten aber nur in 217 Fällen zu. Hier mahnte Merkel Fortschritte an. Sánchez wünscht derweil, dass die Europäische Union sein Land stärker bei der Absicherung der Seegrenze und bei der Versorgung der Ankommenden unterstützt, wobei er auf Merkels Hilfe zählen kann. Seit Jahresanfang kamen nach UN-Angaben mehr als 29 000 Menschen an der andalusischen Küste oder in den spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla an. In Italien waren es im gleichen Zeitraum knapp 19 000.
Partnerschaft mit Marokko
Auch hinsichtlich des angestrebten Ausbaus der EU-Partnerschaft mit Marokko waren sich die beiden Regierungschefs einig. Die meisten in Spanien landenden Migrantenboote legen von Marokkos Küste ab. Deswegen laufen unter der Federführung Spaniens Gespräche mit Rabat über ein EU-Kooperationsabkommen, ähnlich wie es bereits mit der Türkei und Libyen besteht. Dabei geht es im Kern um die Ausrüstung der marokkanischen Küstenwacht, welche im Gegenzug die Abfahrt der Flüchtlingsboote bremsen soll.
„Deutschland wird seinen Beitrag leisten, wo immer Marokko Unterstützung braucht“, sagte Merkel. Auch mit Tunesien und Algerien würden Abkommen angestrebt. Kein Fortschritt zeichnete sich derweil hinsichtlich der Idee ab, in Südspanien große Ankunftszentren für Flüchtlinge zu eröffnen, in denen mit EU-Hilfe zentral über Bleiberechte und Abschiebungen entschieden wird. Sánchez hatte bereits vor dem Treffen mit Merkel klargestellt, dass solche „kontrollierten Zentren“ für Spanien derzeit nicht in Frage kommen.