Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Der deutsche Darwin

Politik

Der deutsche Darwin

    • |
    • |
    Der deutsche Darwin
    Der deutsche Darwin

    Warum kennt in Würzburg eigentlich nahezu niemand Ernst Haeckel? Jenen Wissenschaftler, der als erster Professor wirklich die Zusammenhänge der Ökologie erforscht hat? Vor mehr als einem Jahrhundert griff Ernst Haeckel das Thema Artenvielfalt auf. Ein Komplex, der Wissenschaft und Naturschützer schon seit langem beschäftigt und inzwischen – bedingt – auch manchen Politiker erreicht hat. Nach Meinung des Naturwissenschaftlichen Vereins Würzburg ist es allerhöchste Zeit, dass die Person und Persönlichkeit Ernst Haeckel auch in Würzburg ein fester Begriff wird. Schließlich hat Haeckel an der hiesigen Universität seine prägenden Studienjahre verbracht und sein wissenschaftliches Werk begründet.

    Ernst Haeckel könnte beispielsweise eine tragende Rolle bei der Landesgartenschau 2018 in Würzburg spielen. Schließlich sind die Artenvielfalt und die Vernetzung der Natur eine Zukunftsfrage der Erde. Und die Gartenschau hat sich das Thema Wissenschaft mit aufs Programm gesetzt. Darum wollen sich der Naturwissenschaftliche Verein und der Würzburger Ökologie- und Umweltprofessor Dr. Gerhard Kneitz zusammen mit dem ehemaligen Sonderschulrektor Frank Stößel jetzt intensiv kümmern.

    Den Zoologen und Freidenker Ernst Heinrich Philipp August Haeckel nimmt heute in erster Linie die Universität in Jena für sich in Anspruch. Schließlich erhielt er 1865 dort eine Professur für Zoologie. Doch Haeckel hat mit Würzburg sicher mehr zu tun als beispielsweise der Komponist Mozart, der hier Jahr für Jahr wochenlang gefeiert wird. Der Forscher, der das Konzept ökologischer Systeme begründet hat, lebte von 1834 bis 1919. In Potsdam geboren, verbrachte er seine Jugendzeit in Merseburg. Seine Mutter Charlotte Sethe habe ihm die Vielfalt und Schönheit der Blütenwelt vermittelt, erzählt Gerhard Kneitz, der sich intensiv mit der Person Haeckel befasste. Früh habe der lese- und wissbegierige Junge Herbarien angelegt und sich mit Systemfragen der Natur beschäftigt. Nach dem Abitur 1852 begann Haeckel dann in Würzburg aber das Studium der Medizin. Wohl, meint Kneitz meint, auf Anraten der Eltern. Denn die Zoologie galt damals als „brotlose Kunst“.

    Originale im Museum in Jena

    Die Mitschriften und Zeichnungen, die Haeckel während der Vorlesungen der Würzburger Professoren Kölliker und Virchow machte, sind im Original heute noch im Phyletischen Museum in Jena zu bewundern. Ernst Haeckel war nicht nur Naturwissenschaftler, sondern wie viele seiner Kollegen aus der Botanik auch ein begnadeter Zeichner. Fast wäre der studierte Mediziner, Biologe und Zoologe Maler geworden. Mit seinen 100 Bildtafeln „Kunstformen der Natur“, die er zwischen 1899 und 1904 veröffentlichte, schuf der talentierte Zeichner Klassiker der biologischen Welt. Die Biologie sah er in vielem mit der Kunst verwandt. Bevorzugt und eindrucksvoll zeichnete der Wissenschaftler Meerestiere und Einzeller, berühmt wurden seine Abbildungen von Planktonorganismen und Quallen. Eine besonderen Vorliebe hatte er für Medusen, für Meeresschwämme in bizarren Formen.

    Überhaupt inspirierte Haeckel mit seinen prächtigen Illustrationstafeln nicht nur Wissenschaftler, sondern weit über die Zoologie hinaus Künstler und Architekten seiner Zeit. Seine präzisen Darstellungen wurden Vorlage für zahlreiche Maler. Und die Hefte mit seinen „Kunstformen der Natur“ gehörten in jeden Bildungsbürger-Haushalt.

    Die Zeichnungen, die er von seinen Reisen mitbrachte, hinterließen fast mehr Spuren als seine wissenschaftliche Arbeit zur Schöpfungsgeschichte. Dabei habe Haeckel bei seinem Nachweis der natürlichen Zusammenhänge vor über 100 Jahren den Begriff Ökologie eingeführt, sagt Kneitz. Der Wissenschaftler stand bei seiner Arbeit mit Kollegen weltweit in Korrespondenz. In seinen umfangreichen Werk von über 250 Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen befasste sich der Biologe mit der Schöpfungsgeschichte und verschrieb sich im Verlauf seiner Studien immer mehr den Einzellern.

    Reger Austausch unter Naturforschern

    Warum Ernst Haeckel in Würzburg nie richtig bekannt gemacht wurde, liegt vielleicht auch an seiner weltanschaulichen Einstellung, die genauso wie die Erkenntnisse des Engländers Charles Darwin über die Entstehungsgeschichte der Erde und der Menschheit nicht in das damalige Weltbild der christlich-katholischen Kirche passte. Zwischen den beiden Wissenschaftlern gab es einen regen Austausch: Haeckel besuchte Darwin mehrfach und hielt Briefkontakt. Wobei Haeckel, sagt Kneitz, in den Theorien unerbittlicher gewesen sein soll als Darwin. Und anders als der britische Naturforscher hatte er einen ordentlichen Lehrstuhl inne. Durch seine populären Schriften machte Haeckel Darwins Arbeiten auch in Deutschland bekannt. Die Grundlagen für den Beweis, dass die Vielfalt der Arten nicht in einem Schöpfungsakt begründet ist, erarbeitete sich Haeckel – darauf verweisen alle Belege – wohl selbst. Seine „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ von 1868 erschien in neuen Auflagen und wurde in zwölf Sprachen übersetzt. In „Die Abstammung des Menschen“ verwies Darwin später auf Haeckels „Natürliche Schöpfungsgeschichte“: „Fast alle Schlüsse, zu denen ich gekommen bin, finde ich durch diesen Naturforscher bestätigt, dessen Kenntnisse in vielen Punkten viel vollkommener sind als die meinen“.

    Es gäbe viel aufzuarbeiten über den Wissenschaftler Ernst Haeckel, sein Name gilt es in der Stadt seiner Studienzeit zu beleben. Die Ziele des Naturwissenschaftlichen Vereins in Würzburg sind klar: eine Ausstellung über den Wissenschaftler Haeckel am Main und eine grundlegende Darstellung des Themas der Evolution und Ökologie bei der Landesgartenschau 2018. Dabei könnten wertvolle Exponate aus Jena gezeigt werden. Der dortige Instituts- und Museumsleiter Professor Olaf Breidbach sagte Kneitz und Stößel seine Unterstützung jedenfalls schon zu. Bis zu 100 Tafeln mit Faksimiles von Originalen aus Jena könnten für eine Ausstellung ausgeliehen werden. Und eventuell Originale wie den Briefwechsel zwischen Haeckel und seiner Mutter aus der Würzburger Studentenzeit – künstlerisch garniert.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden