So stellt sich die Deutsche Post DHL die Zukunft der Paketzustellung in entlegene Gebiete vor: Leise surrend nähert sich eine Drohne der Paketstation. Das Dach des Gebäudes öffnet sich, die Drohne dreht ihre Propeller nach oben und sinkt senkrecht nach unten. Im Innern der Station wird das Paket aus dem Bauch des unbemannten Fluggeräts geholt, ein neues kommt hinein. Der schwache Akku wird gegen einen vollen ausgetauscht. Alles funktioniert automatisch. Und schon kann der Flug per Autopilot weitergehen zur nächsten Paketstation.
In einem abgesperrten Flugkorridor in den Chiemgauer Alpen testet DHL derzeit seine Paketdrohne der dritten Generation. Jetzt sollte sie erstmals vor den Augen der Öffentlichkeit aufsteigen. Doch die Weltpremiere, zu der DHL Journalisten aus ganz Europa eingeladen hatte, fiel aus. Der „Paketkopter 3.0“ blieb am Boden. Die Projektverantwortlichen verwiesen auf widrige Wetterbedingungen mit Temperaturstürzen und eineinhalb Metern Neuschnee. Sie wollen kein Risiko eingehen, sagten sie. So blieb es bei der theoretischen Vorstellung des Forschungsprojekts, an dem Fachleute der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen beteiligt sind.
Die Deutsche Post DHL-Gruppe ist einer von vielen Logistikdienstleistern, die derzeit mit Paketdrohnen experimentieren. Der US-Paketriese UPS gehört dazu, ebenso die Schweizer Post. Amazon will Waren in Zukunft mit eigenen Drohnen innerhalb von nur 30 Minuten zustellen. Ende November enthüllte der Online-Händler die zweite Version seiner Drohne, die mehr an ein Flugzeug erinnert und senkrecht starten und landen kann.
Diese Eigenschaften treffen auch auf den neuen DHL-Paketkopter zu, der bis zu zwei Kilogramm schwere Pakete transportieren können soll. Die acht Kilometer lange Teststrecke von Reit im Winkl hinauf zur Winklmoosalm soll das Fluggerät in neun Minuten zurücklegen können. Dabei überwindet es eine Höhendifferenz von knapp 500 Metern. „Wir hatten schon einige Tests“, sagte der DHL-Manager Ole Nordhoff. Abgesehen vom Wetter habe es noch keine größeren Probleme gegeben.
Dabei hatte Nordhoff zuvor noch in seinem Vortrag betont, dass Drohnen dringend benötigte Güter wie Medikamente auch in entlegene Gebiete transportieren könnten. Seine erste Drohne ließ DHL im Dezember 2013 noch von einem Rheinufer zum anderen fliegen. Die zweite Generation, wie der Vorgänger ein Mini-Hubschrauber mit vier Rotoren, flog 2014 automatisch vom Festland auf die Nordseeinsel Juist – und das auch bei Nebel, wie Nordhoff sagte. Gegenwärtig erlaubt das deutsche Gesetz keine Flüge außerhalb der Sichtweite eines Menschen. Nur mit einer Sondergenehmigung darf die DHL ihr jüngstes Kind in den Bergen fliegen lassen. Die Route ist im Gerät einprogrammiert, eine Person überwacht den Flug auf einem Monitor vom Boden aus. Jürgen Gerdes, Konzernvorstand für den Paketbereich, ist überzeugt, dass die Paketdrohnen kein Nischengeschäft bleiben werden. Ein bis drei Jahre, schätzt er, werde es bis zum Regelbetrieb bei DHL dauern.
Auf Nachfragen zu der ungeklärten Rechtslage antwortete Gerdes knapp: „Wir brauchen eine Regulierung und arbeiten mit vielen anderen daran.“ Auch dazu, dass der gute DHL-Kunde Amazon mit seinem Drohnenprojekt einen Teil des Geschäfts selbst in die Hand nehmen will, äußerte er sich nur vage. Jeder Wettbewerber trage zur Weiterentwicklung der Technik bei, sagte der Konzernvorstand. Er äußerte aber Zweifel daran, ob es Amazon gelinge, sich mit seinem Liefergeschäft am deutschen Markt zu etablieren. Dass die Paketdrohne den Anforderungen des Winters in den bayerischen Alpen offensichtlich noch nicht gewachsen ist, wundert den Luftfahrt-Experten Peter Pletschacher nicht. Weder die technischen noch die betrieblichen Voraussetzungen für den kommerziellen Einsatz von Drohnen seien bislang geklärt, sagt er. „Jeder will dabei sein, aber es steckt noch nichts dahinter.“