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"Gott trägt das Leiden der Menschen mit"

Leitartikel

"Gott trägt das Leiden der Menschen mit"

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    Die Flutkatastrophe in Südostasien hat nicht nur die kirchlichen Hilfswerke auf den Plan gerufen. In vielen Predigten wurde das Leid der Opfer zum Thema. Warum lässt Gott so etwas zu? Darüber sprachen wir mit dem Bischof von Würzburg, Friedhelm Hofmann.

    Frage: Verstehen Sie, wenn Menschen angesichts einer solchen Katastrophe verbittert fragen, warum Gott das zulässt?

    Bischof Friedhelm Hofmann: Das ist durchaus verständlich. Die Frage ist für uns Christen eine bleibende Herausforderung, weil wir einerseits sagen müssen: Gott weiß darum, er lässt es zu. Auf der anderen Seite können wir selber nicht schlüssig beantworten, warum das in diesem Falle so ist. Für mich gibt es den Ansatz der Lösung in der Menschwerdung Gottes. Warum wird Gott Mensch, erniedrigt sich bis zum Tod am Kreuz? Weil seine Liebe zu uns so groß ist, dass er all unser Leiden mitleidet und mitträgt, um es in seiner Auferstehung zu überwinden. Krippe und Kreuz gehören zusammen. Das lässt die Wirklichkeit unseres Alltagslebens hinter uns und stößt in einen Raum vor, den wir Christen im Glauben verkünden. Ohne Blick auf das ewige Leben könnte ich eine solche Katastrophe nicht mehr einordnen, überhaupt nicht.

    Die Katastrophe ist für Sie kein Grund, am Glauben zu zweifeln?

    Bischof Hofmann: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich stelle mich diesem Problem aus dem Glauben heraus. Es muss aber sofort ein zweiter Schritt kommen: Wir Menschen müssen diese Liebe Gottes zu uns konkret umsetzen, wir müssen den Opfern helfen. Deswegen bin ich begeistert, dass eine solche Welle der Hilfsbereitschaft möglich ist. Was wird in uns Menschen an positiven Kräften freigesetzt? Das ist schon toll, wie viele Menschen jetzt helfen.

    Einen solchen Glauben, eine solche theologische Begründung können sicher nicht alle Menschen nachvollziehen. Trösten Sie allzu schnell? Und wer das nicht mitvollzieht, bleibt alleine?

    Bischof Hofmann: Ich hoffe nicht! Es darf kein oberflächliches Einlullen sein, wir dürfen Probleme nicht wegreden. Angesichts einer solchen Katastrophe bleiben viele Fragen offen, und auch ein Schmerz, den man nicht wegwischen kann. Wir Christen müssen die Dunkelheit der Welt ernst nehmen und sie nicht vorschnell beschönigen. Wir sind aber dafür da, Menschen in Not beizustehen, zu trösten und zu helfen.

    Was können die Kirchen tun?

    Bischof Hofmann: Sie können die Nächstenliebe zeigen, indem sie handeln: Es gab Sonderkollekten in den Pfarrgemeinden, das Bistum Würzburg hat 100 000 Euro bereitgestellt, die großen evangelischen und katholischen Hilfsorganisationen sind im Einsatz. Dabei darf es aber nicht stehenbleiben: Wie sieht die Hilfsbereitschaft in einem oder zwei Jahren aus? Vergessen wir dann den Schrecken? Es ist Aufgabe auch der Kirchen, dass das nicht in Vergessenheit gerät und durch andere Probleme allmählich verdrängt wird.

    Raten Sie, dass die Leute dorthin wieder in Urlaub fahren sollen?

    Bischof Hofmann: Sobald sich die Lage dort entspannt hat, sollte man nicht aus Angst vor einer neuen Katastrophe auf den Urlaub dort verzichten. Die Länder leben ja auch vom Tourismus.

    Bei uns wird überlegt, ob man guten Gewissens Fasching feiern kann. Was meinen Sie?

    Bischof Hofmann: Zum einen möchte ich sagen, aus dieser Betroffenheit heraus kann man nicht überschwänglich fröhlich sein. Auf der anderen Seite gibt es immer großes Elend - Menschenrechtsverletzungen, Folter, Bürgerkriege, Terrorakte - und es könnte das ganze Jahr Aschermittwoch sein. Kann es das sein? Dürfen wir uns von der Freude abkoppeln? Dann hätten wir auch keine Kraft mehr, aktiv zu helfen und die Welt zu verändern. Ich meine, es ist sittlich erlaubt, auch angesichts der Katastrophe zu feiern. Es ist aber sicher richtig, dass viele Karnevalisten auf Überflüssiges verzichten wollen und das Geld dafür lieber spenden.

    Darf man die Flutkatastrophe mit der biblischen Sintflut in einem Atemzug nennen?

    Bischof Hofmann: Die Sintflut wird in der Bibel als Strafe Gottes für die Schuld der Menschen dargestellt. Aber ich kann doch nicht hingehen und sagen, das Ereignis ist Folge menschlicher Schuld. Ich kann nicht in eine Naturkatastrophe, eine Verschiebung von Erdplatten, einfach eine theologische Wertung hineinbringen und sagen Gott bestraft uns für unsere Sünden. Etwas ganz anderes ist es, zu fragen, ob nicht durch bessere Frühwarnsysteme viele Menschen hätten gerettet werden können, ob es nicht hier menschliches Versagen gegeben hat.

    Macht es für Sie einen Unterschied, ob eine Naturkatastrophe solches Leid anrichtet oder Menschen, wie im Terrorismus, in Kriegen?

    Bischof Hofmann: Wenn Menschen das Elend verursachen, weiß man: Das hätte vermieden werden können. Aber eine Naturkatastrophe stellt uns vor die Frage: Warum lässt Gott das zu? Wir merken, dass wir unsere Welt nicht völlig absichern können, dass wir nicht Herren der Schöpfung sind. Uns wird bewusst, dass wir auf dieser Erde nur Pilger sind, dass unsere Vollendung in Gott liegt. Aber gerade deshalb dürfen wir den Einzelnen nicht in seinem Elend allein lassen. Vielmehr sind wir aufgerufen, mit allen Mitteln zu helfen.

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