Der Main war seit frühester Jugend sein Zuhause. Erst mit 80 Jahren hat der letzte Berufsfischer Würzburgs zum letzten Mal seine Netze im Fluss ausgelegt. Damit ging zumindest beruflich eine Tradition zu Ende, die in der Stadt weit älter als 1000 Jahre ist.
Georg Göß kann auch ganz persönlich eine lange Fischer-Tradition nachweisen. Seine Familie ist seit 1590 in Würzburg ansässig und hatte seit dieser Zeit immer einen Fischer in der Generation. Göß geht davon aus, dass seine Vorfahren damals von Schweden nach Würzburg gekommen sind. Der Name Göß deutet auch auf einen schwedischen Zander-Fisch hin, der in Schweden aber nur „Gös“ geschrieben wird. Näheres ist nicht nachweisbar, auch nicht, wie die Familie in die Zunft der Mainfischer aufgenommen wurde. Denn die Reglements waren damals sehr streng, ging es doch um ein Privileg, das Einheimische energisch verteidigten. Georg Göß zeigt eine mehrere Kilo schwere Zunft-Chronik von 1692. Er selbst ist Bestandteil des Buchs. Am 16. Januar 1925 geboren, wurde er erst am 6. Januar 1926 zum Jahrtag der Fischer in das Zunftbuch eingetragen.
Damit begann praktisch sein Leben als Fischer. Denn schon als kleiner Bub war Göß mit der Main-Fischerei konfrontiert und saß mit seinem Vater, ebenfalls Georg, schon sehr bald in einem Boot. Hier wurden die Lust und Leidenschaft zur Fischerei geprägt, die Georg Göß heute noch antreiben, auch wenn der Ausflug im Schelch im hohen Alter aus gesundheitlichen Gründen zu gefährlich geworden ist.
Frisch und lebendig aber ist des Göß' Erinnerungsvermögen. Sieben oder acht Jahrzehnte als Mainfischer, das wäre Stoff für einen autobiografischen Roman. Wir müssen uns darauf beschränken, was Georg Göß an Beobachtungen zur Entwicklung des Mains und seiner Fische in Erinnerung behalten hat. Da wäre festzuhalten, dass vor Jahrzehnten hauptsächlich Rutten gefischt wurden, Göß nennt ihn den „Schellfisch des Süßwassers“, ein Gründelfisch, „ähnlich dem Waller aber kleiner“. Er ist total ausgestorben. Ein ähnliches Schicksal erlitten die Schneider oder „Schnepferli“. Sie sollen wieder eingesetzt werden. Auch die Barben waren ausgestorben, wurden eingesetzt und erholen sich wieder.
Direkt nach dem Krieg waren Aale sehr gefragt, weil sie fettreich sind. Göß erinnert sich, dass er 1948 mit seinem Vater einen Aal mit sechseinhalb Pfund gefangen hatte. Den habe sich die Familie selbst gegönnt. „Ich habe soviel gegessen, dass ich danach fast keinen Aal mehr sehen und fangen konnte.“
Momentan haben die berühmten „Meefischli“ ein Krise. Sie stünden nur sehr begrenzt oder aus Zucht zur Verfügung. Den Grund sieht Göß in einer Krankheit, aber es gebe auch bürokratische Hürden. Göß kann sich mit seiner Frau Lilli, mit der er seit 45 Jahren verheiratet ist, an den größten Fang zur Karwoche in den 80er Jahren erinnern, wo er in einer Nacht drei Zentner „Meefischli“ im Netz hatte. „Das war nicht nur Vergnügen. Das Gewicht umgerechnet, waren das rund 4500 Fische, die zumindest ausgenommen werden mussten.“
Genießer Göß
Georg Göß hat noch eine andere Seite. Mit Leib und Seel Fischer, war er immer auch Genießer. 1954 hatte er in der Spitalgasse den „Silbernen Karpfen“ als reines Fischlokal eröffnet. Vom Mainfischen allein konnte man nicht leben. Er hatte in den ersten Kriegsjahren auch eine Kaufmannslehre absolviert. Hinter vorgehaltener Hand meinte er, „ham wir schon auch emol Bratwürscht verkauft“.
Aber das Lokal war bis vor knapp 20 Jahren der Geheimtipp für Fisch-Genießer. Die Gäste kamen aus ganz Deutschland. Manche fragen noch heute nach dem Lokal, wenn sie schon lange nicht mehr in Würzburg gewesen sind. Viele Firmen hatten hier ihr Stamm-Restaurant, Politiker und Journalisten. Darunter auch der frühere Intendant des Bayerischen Rundfunks Reinhold Vöth. Zuletzt gab es nur Plätze gegen Vorbestellung.
Die Gäste bevorzugten „Fisch blau“. Denn das Besondere war der Fischsud im „Silbernen Karpfen“. Das war eine Mischung aus 35 Gewürzen und Kräutern, die Georg Göß zum Teil von der Mutter übernommen und dann noch verfeinert hat. „Ich kriege das auch heute noch fast hin“, sagt er, „aber es geht nicht mehr mit so vielen Gewürzen in kleiner Menge“. Ehefrau Lilli indes meint, der Sud schmecke noch wie damals.
Bei der Frage, welchen Fisch er heute bevorzugt, braucht der 85-Jährige nicht lange nachzudenken. Den Karpfen. Doch nicht die kleinen Fische mit dem weißen Fleisch sind es, die Georg Göß vorzieht, sondern die größeren, älteren Semester mit dem braunen Fleisch. „Das kommt von den kleinen Schnecken, die sie fressen, die geben ihnen einen ganz besonderen Geschmack. Beschreiben kann man den nicht.“