Sommerlich strahlt die Sonne in der Valentin-Becker-Straße, und der Himmel wölbt sich in fast perfektem Blau über dem Logenhaus der Würzburger Freimaurer. Drinnen, im großen Saal, sitzen Rechtsanwalt Friedrich Meyer, Meister vom Stuhl und derzeitiger „Chef“ der Würzburger Freimaurer, und Bernd Wießmann, langjähriger Freimaurer und Kardiologe.
Am Ende des Saales, stehen auf einem Podest zwei Säulen, die den repräsentativen Stuhl des Meisters vom Stuhl flankieren. Zwei Säulen? Kennt man die nicht aus dem Würzburger Dom? Richtig, deswegen auch der Name der Loge „Zu den zwei Säulen an der festen Burg“.
Bernd Wießmann erzählt von der komplexen Vorgeschichte der 1947 wiedergegründeten Würzburger Loge: 1871, recht spät, gründeten 27 Freimaurer in der katholischen Bischofsstadt die erste Loge „Zu den zwei Säulen am Stein“, und 1928, entstand die zweite Loge „Zur festen Burg am Main“. Ah, der jetzige Name, eine Kombination der 1933 aufgelösten Vorgängerlogen. 1952 zog die Loge in das 1895 errichtete und nach den Kriegszerstörungen wieder aufgebaute Neo-Renaissance-Gebäude in der Valentin-Becker-Straße ein. Mit im Haus: die 1948 gegründete Studentenloge „Morgenlandfahrer“, die allerdings schon 1953 von der Vereinigten Großloge von Deutschland aufgelöst wurde.
In den letzten Jahren hat sich einiges in der Valentin-Becker-Straße getan. Die Verjüngung der Loge gehört zu den Schwerpunkten, die sich Friedrich Meyer gesetzt hat, und so wird es im Nebenzimmer des großen Saals gelegentlich eng. Dem „Pragmatiker“ Meyer geht es nicht um Esoterik und geheimnisvolle Rituale, sondern um Aufklärung. „Momentan fühlen sich die Menschen zunehmend unfrei, sie suchen einen von den Einflüssen der Medien freien Kreis.“ Diesen Freiraum im besten Sinn bietet die Würzburger Loge.
Einmal in der Woche treffen sich die drei Grade der Logenbrüder, die Lehrlinge, Gesellen und Meister, um „offene Diskussionen im freundschaftlichen Rahmen zu führen“, wie Wießmann erklärt. „Wir erwarten echte Mitarbeit und geistige Auseinandersetzung.“ Deswegen muss jeder Lehrling und Geselle ein „Werkstück“ abliefern. „Werkstück“, was hat man sich darunter vorzustellen? „Einen 20-minütigen Vortrag mit anschließender Aussprache.“
„Unser Verhältnis zur evangelischen Kirche und zu der jüdischen Gemeinde ist völlig unverkrampft.“
Friedrich Mayer Freimauer, Meister vom Stuhl
Und worüber tauschen sich die „freien Männer von gutem Ruf“ und „mit einer gewissen Lebenspraxis“ aus? „Politik und Religion bleiben außen vor“, erklärt Meyer, der betont: „Unser Verhältnis zur evangelischen Kirche und zu der jüdischen Gemeinde ist völlig unverkrampft.“
Philosophische Fragestellungen und die möglichen Antworten von der Antike bis zur Gegenwart, darüber diskutieren die Studenten, Männer im besten Alter und Senioren „offen und in freundschaftlichem Rahmen“. Ein Beispiel: Was ist gut? Die Frage nach dem „Kalokagathon“, wie es die alten Griechen nannten. „Wichtig ist uns auch, dass wir inhaltlich möglichst breit aufgestellt sind.“ Deswegen hat die Loge den neuen Würzburger Generalmusikdirektor Enrico Calesso eingeladen, über seine Erfahrungen beim Dirigieren von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ zu berichten. Der Kontakt zum Mainfranken Theater besitzt für Meyer besondere Bedeutung. „Nur wenn wir über die Hintergründe, das Konzept einer Inszenierung informiert sind, können wir diese angemessen beurteilen“. Neben der „Hochkultur“ stehen allerdings auch „bodenständige“ Themen wie die Demeter-Methoden im Weinbau auf dem Programm.
Die wesentlichen Anliegen der Würzburger Freimaurer auf den Punkt gebracht? Selbsterkenntnis und Selbstentwicklung. Das ist aber nicht alles. Die „Verschwörung zum Guten“ – Titel einer Informationsbroschüre von Jürgen Holtdorf aus den 80er Jahren – will mehr: „Gehet hinaus in die Welt und bewährt euch als Freimaurer“, so lautet der Auftrag an die Logenbrüder. Frei nach Kant und Pascal, Wießmann und Meyer: Praktische Aufklärung mit der Vernunft des Herzens. Ein Blick durch die großen Fenster – draußen steht die Sonne jetzt im Zenit.