Lausbubenstreiche, Besichtigungen mit Königen und Kaisersöhnen, Besucherrekorde, aber auch Zerstörung, Finanznot und offene Rechnungen. Die Geschichten des Luitpold- und späteren Mainfränkischen Museums in Würzburg sind mal kurzweilig, mal langatmig, mal voller Höhenflüge, dann wieder tieftraurig. Sie erzählen von langjährigen zähen Verhandlungen, bis das Museum endlich verwirklicht werden konnte, aber auch von den wenigen Minuten, die genügten, um es in Schutt und Asche zu legen. Sie berichten vom Wiederaufbau an einem anderen Ort und von neuen Glanzzeiten. Aktuell wird gerade ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. Es beginnt mit hoffnungsvollen Erwartungen einer Zukunft als Landesmuseum für Unterfranken.
100 Jahre wird das Mainfränkische Museum alt. Doch schon lange vor dem 17. Mai 1913, dem offiziellen Eröffnungsdatum, beginnen die Annalen. Und wer sich mit ihnen beschäftigt, den beschleicht zuweilen das Gefühl, dass sich manches nie ändern wird: etwa die Sache mit dem lieben Geld. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Chronologie. „Überlegungen, in Würzburg ein großes gemeinsames Museum für die Kunstsammlungen der Universität, des Historischen Vereins und der Stadt einzurichten, scheiterten 1889 an der Finanzierung“, schreibt Frauke van der Wall in ihrem Kurzabriss der Geschichte. Die Kunsthistorikerin am Mainfränkischen Museum hat in den vergangenen Wochen intensiv das Archiv durchforstet. Sie bereitet eine kleine Ausstellung innerhalb der großen Jubiläumsausstellung „Ans Werk“ vor: eine sogenannte Insel mit dem Titel „Von der Gründung des Fränkischen Luitpold-Museums 1913 zum Mainfränkischen Museum heute“. Eröffnet wird die Jubiläumsschau punktgenau am 100. Geburtstag, am 17. Mai, mit einem Festakt und einer Gala-Nacht.
Insgesamt besteht „Ans Werk“ aus mehreren Ausstellungsinseln. Frauke van der Walls Insel befindet sich im Steinsaal und besteht aus besonderen Objekten aus den Schausammlungen. Gleichzeitig erinnert van der Wall an die einzelnen Museumsleiter. 1889, als sich die Pläne des bereits seit 1831 bestehenden Historischen Vereins mangels Geld in Luft auflösten, war allerdings noch lange kein Posten als Direktor zu vergeben. Die engagierten Vereinsmitglieder gaben damals jedoch nicht auf. Vier Jahre später, 1893, startete die Initiative zur Museumsgründung laut van der Wall in die nächste Runde und gründete auf Anregung des Regierungspräsidenten Friedrich Graf von Luxburg den Fränkischen Kunst- und Altertumsverein. Im gleichen Jahr präsentierte die Initiative in der Sepultur, im darüber liegenden Saal und im Kreuzgang des Würzburger Doms in der „Fränkischen Ausstellung von Alterthümern in Kunst und Kunstgewerbe“ zusammen mit dem Historischen Verein die vielen Schätze, die sich im Lauf der Jahre angesammelt haben. Doch mit dem Museum wurde es immer noch nichts.
Der Konservator dieser gemeinschaftlichen Schau von 1893 hieß August Stöhr, ein Architekt und Experte für Fayence-Keramik. 20 Jahre später wurde sein Einsatz belohnt und er zum Direktor des Luitpold-Museums ernannt. Es befand sich nur wenige Meter von der ersten weichenstellenden „Alterthümer“-Ausstellung entfernt: in der Maxstraße, ungefähr dort, wo heute die Mozartschule steht. Nichts davon hat sich erhalten. Die Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945 zerstörte das Museum so gründlich, so dass nach Kriegsende an einen Wiederaufbau auch aus Kostengründen nicht zu denken war. Nicht nur das Gebäude, auch große Teile der Sammlung waren verloren, erzählt Frauke van der Wall. Bedeutende Kunstwerke wie die Riemenschneider-Werke Adam und Eva wurden jedoch von den Brandbomben verschont, weil sie auf Veranlassung von Clemens Schenk rechtzeitig ausgelagert worden waren. Das Wirken des Museumsleiters blieb nach Kriegsende eher unbeachtet. Sein Sohn Josef schrieb 2006 ein Buch über das Leben seines Vaters und versuchte auf diese Weise, dessen Verdienste ins rechte Licht zu rücken. Doch bis heute werden sie von den Gräueltaten der Nazizeit überschattet.
Die alles überstrahlende Persönlichkeit unter den Museumsdirektoren ist Max Hermann von Freeden. Er setzte sich nach Kriegsende dafür ein, das Museum in die Festung zu verlagern. Eine neue Ära begann – eine Erfolgsgeschichte. Bis 1978 leitete von Freeden die Geschicke des Mainfränkischen Museums. Im Archiv dieser Zeitung finden sich nicht nur Berichte über die Wiederauferstehung, sondern auch etliche Artikel über die illustren Gäste: 1952 war es zum Beispiel Prinzessin Sibylle von Schweden, 1960 Prinz Mikasa, der jüngere Bruder des japanischen Kaisers, 1966 König Bhumibol und Königin Sirikit von Thailand zusammen mit Bundespräsident Heinrich Lübke. König Bhumibol soll sich beim Rundgang derart intensiv mit einzelnen Objekten beschäftigt haben, dass er seinem Begleittross fast verloren ging, schrieb der Zeitungsreporter damals.
Das Museum war aber auch immer ein Ziel von Fachleuten. 1960 informierte sich beispielsweise eine österreichische Kommission aus Linz in Würzburg. Das dortige Landesmuseum sollte damals in einem Schloss eingerichtet werden. Der Direktor Dr. Wilhelm Freh machte dem Mainfränkischen Museum ein dickes Kompliment: es sei „das besteingerichtete Schlossmuseum Mitteleuropas“.
Ein anderer Artikel der Main-Post berichtet von einer nächtlichen Kletterpartie. Vier Jugendliche, ein 15 Jahre alter Heizungsmonteurlehrling, ein Konditor- sowie ein Kaminkehrerlehrling, beide 16 Jahre alt, und ein 14-jähriger Schüler stiegen dem Museum im Januar 1965 gegen 22 Uhr aufs Dach. Als sie gerade versuchten, eine Fensterscheibe zu entkitten, schrillte die Alarmanlage. Wenige Minuten später waren Feuerwehr und Polizei zur Stelle. Zwei Kletterer konnten sie sofort dingfest machen, einer hatte sich im Kamin versteckt, einem gelang die Flucht. Doch auch sie wurden ausfindig gemacht. Alles sei reine Abenteuerlust gewesen, versicherte die Viererbande reumütig.
Natürlich kamen die meisten Museumsbesucher nicht übers Dach. Und sie kamen in manchen Jahren beziehungsweise Monaten sogar scharenweise: im August 1958 waren es mehr als 15 000, im Juli 1960 sogar fast 17 000 Besucher. Ein Rekordjahr mit insgesamt 180 000 Gästen war 1971. Es war bis dahin die höchste Jahresbesucherzahl des Museums überhaupt. Heute kommen jährlich rund 80 000 Besucher, sagt Claudia Lichte (siehe Interview auf der linken Seite). Die heutige Museumsleiterin blickt gespannt in die Zukunft. Die momentane Diskussion darüber, ob und wann die Würzburger Kulturstätte zum Landesmuseum erhoben wird, ist jedoch schon viel älter. Bereits 1961 beschäftigt sich ein Zeitungsbericht mit dieser Frage. Damals sprach Museumsdirektor von Freeden mit dem Bayerischen Rundfunk und meinte, es könnte eine wertvolle kulturelle Aufgabe sein, den Osttrakt der Festung zu einem Landesmuseum für Franken auszubauen. Das wäre ein „nicht zu unterschätzender Anziehungspunkt unserer Stadt“.
Suchaktion: Frauke van der Wall vom Mainfränkischen Museum bittet um Mithilfe. Vor einiger Zeit zeigte ihr ein Besucher ein Plakat des Luitpold-Museums (siehe Abbildung oben links). Sie hat zwar ein Foto gemacht, sich aber weder Namen noch Telefonnummer des Besitzers notiert. Frauke van der Wall möchte das Plakat ab 17. Mai in der Jubiläumsausstellung „Ans Werk“ zeigen. Deshalb würde sie sich freuen, wenn sich der Mann erneut oder andere Personen, die so ein Plakat zur Verfügung stellen könnten, bei ihr melden könnten: Tel. (0931) 205 94-22; E-Mail: fraukevanderwall@mainfaenkisches-museum.de
Chronologie
Vorgeschichte: Bereits um 1850 gab es in Würzburg Befürworter eines fränkischen Museums. Der Wunsch kam von Mitgliedern des 1831 gegründeten Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. Sie suchten Räume für die rasch angewachsenen Sammlungen des Vereins. Doch daraus wurde nichts. Die Initiatoren des Museumsprojekts gründeten 1893 den Fränkischen Kunst- und Altertumsverein mit dem Ziel, das Museum zu verwirklichen. Es sollte noch 20 Jahre dauern.
Gründung: Am 17. Mai 1913 war es endlich so weit: Das Fränkische Luitpold-Museum wurde im Beisein des bayerischen Kronprinzen Ludwig in der Würzburger Maxstraße feierlich eröffnet. August Stöhr, ein Spezialist für Fayencen, war der erste Direktor. Der Prähistoriker Georg Hock führte interimsmäßig von 1920 bis 1925 die Museumsgeschäfte. Ab 1926 übernahm der Kunsthistoriker Clemens Schenk die Leitung. 1931 erweiterte er das Luitpold-Museum um die mit einem Preis ausgezeichnete Riemenschneider-Gedächtnishalle.
Umbenennung: 1939 wurde das Fränkische Luitpold-Museum in Mainfränkisches Museum umbenannt und mit Kriegsbeginn geschlossen. Clemens Schenk veranlasste Sicherungsarbeiten und Auslagerungen.
Zerstörung: Am 16. März 1945 wurde beim Luftangriff auf Würzburg auch das Museumsgebäude in der Maxstraße völlig zerstört und mit ihm viele Kunstwerke, darunter fast die gesamten Holzplastiken aus dem Barock und Rokoko, die meisten Fayencen, über 500 Gemälde, ebenso das Inventarverzeichnis und das Fotoplattenarchiv sowie alle Fotoabzüge.
Wiederaufbau: Max Hermann von Freeden setzte sich für die Festung Marienberg als neuen Standort des Museums ein. Am 8. September 1947 wurden die ersten Räume eröffnet. Unter Hanswernfried Muth (Direktor von 1978 bis 1994) wurde 1992 die Stadtgeschichtliche Abteilung im Fürstenbau neu eröffnet. Und unter der Leitung von Hans-Peter Trenschel (1994 bis 2003) gab es 21 Sonderausstellungen. Seit 2004 steht mit Claudia Lichte eine Spezialistin für spätgotische Skulptur an der Spitze des Museums.
Geburtstagsfest: Am 17. Mai 2013 findet zum 100. Geburtstag eine Gala-Nacht in den Räumen des Museums statt. Gleichzeitig wird die Jubiläumsausstellung „Ans Werk“ eröffnet. Es finden jedoch das ganze Jahr über Sonderveranstaltungen statt. Das gesamte Jubiläumsprogramm steht im Internet:
www.mainfraenkisches-museum.de Info: Frauke van der Wall / Text: cj