Es sind zwei unscheinbare dünne Bändchen, die der Mitarbeiter der Würzburger Universitätsbibliothek am Hubland auf den Tisch legt – das eine hellbeige, das andere in dunklem Rot. Aufgrund des Titels würde sich kaum jemand für die beiden 1907 veröffentlichten Broschüren interessieren. „Compensationsvollzug und Compensationsvorbringen nach gemeinem Rechte“ ist da zu lesen. Das klingt wenig verlockend. Es ist vielmehr der Name des Autors, der hellhörig macht: Karl Liebknecht, Mitbegründer der KPD und bis heute eine Gallionsfigur der deutschen Linken. Und das Thema ist der Titel der Doktorarbeit Liebknechts, der 1897 an der Würzburger Universität promovierte.
Diese Tatsache ist auch vielen Würzburgern, die sich mit der Geschichte der Stadt beschäftigen, nicht bekannt. Das verwundert nicht weiter, denn über Liebknechts Aufenthalt in Würzburg finden sich so gut wie keine Spuren. Auf eine Wohnadresse stößt man zumindest bei der Würzburger Uni nicht, denn Liebknecht war dort gar nicht immatrikuliert. Das zeigt ein Blick ins Verzeichnis der registrierten Studenten. Denn damals musste man nicht an der Hochschule, an der man promovierte, eingeschrieben sein.
Kaum Fakten über Liebknechts Aufenthalt
Fest steht, dass der Doktorvater Liebknechts der Dekan der Juristischen und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität, Prof. Christian Meurer war. Dieser lehrte an der Hochschule katholisches Kirchenrecht, Völkerrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsenzyklopädie. Bevor Liebknecht in Würzburg promovierte, hatte er in Leipzig und Berlin Rechtswissenschaften studiert. Hier bestand er am 29. Mai 1893 sein Referendarexamen.
Wie lange sich Liebknecht während seiner Promotion in Würzburg aufhielt, ob und wenn ja, wo er einen Wohnsitz hatte, ist nicht überliefert. Auch sind keine gesicherten Quellen auffindbar, warum es Liebknecht ausgerechnet nach Würzburg zog, um seine Doktorarbeit zu schreiben.
Auch er selbst hat sich erst 20 Jahre später einmal in einem Brief an seine Frau geäußert: An Würzburg erinnere er sich sehr gut, er habe dort „aber auch getollt, grad genug“, heißt es in einer Biografie über die Familie Liebknecht. Übertrieben hatte er es offensichtlich nicht mit der Feierei, denn die Universität bewertete seine Dissertation mit der zweithöchsten Note „magna cum laude“.
Unikat mit persönlicher Widmung
An der Würzburger Universität wusste man von dem prominenten Doktoranden, er ist unter anderem in einem Absolventenverzeichnis erwähnt. Nicht bekannt und erst jetzt im Zusammenhang mir den Recherchen dieser Redaktion ist ein zweite Ausgabe von Liebknechts Doktorarbeit entdeckt worden.
Dieses Unikat enthält eine handschriftliche Widmung Liebknechts für den am Promotionsverfahren beteiligten Professor Georg Schanz: „In Dankbarkeit und Hochachtung“ hat Liebknecht am 29. September 1897 seinem Lehrer die Arbeit gewidmet.
Karl Liebknecht wurde am 13. August 1871 in Leipzig geboren. 1900 trat er in die SPD ein, wo er zum äußersten linken Zirkel zählte. Später brachen die Sozialdemokraten mit ihm, 1918 war er an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands beteiligt. Am 15. Januar 1919 wurde er zusammen mit Rosa Luxemburg von Freikorps-Soldaten ermordet. Zur Erinnerung findet am Samstag, 21. Januar, um elf Uhr in Würzburg in der Husarenstraße, Ecke Rennweg an der Residenz eine Gedenkstunde statt.