„Sie können mich nachts im Umkreis von 200 Kilometern irgendwo aussetzen. Ich brauche eine halbe Stunde, dann sage ich Ihnen, wo ich mich befinde.“ Eckhard W. Beck benutzt alle Sinne, um den Boden zu erkunden. Er fasst an, zerreibt Erde zwischen den Fingern. Er riecht sie. Er tastet, betastet Bäume und das, was daran hängt. Er hört, hört Wasser, hört Tiere. 25 Jahre lang war er Naturschutzwächter, und seit 35 Jahren hat er teils mehrmals pro Woche Führungen angeboten für Gott und die Welt – und immer in der Natur.
Es gebe in der Natur nichts, was man nicht irgendwie verarbeiten könne, ist Beck sich sicher – und wenn es Mandalas legen mit Blüten ist. Eckhard W. Beck hört jetzt auf, bietet keine Führungen mehr an, er ist 67 und verlagert sein Tun nach etwa 1000 Führungen, die er geleitet hat, auf andere Schultern.
Unter dem Motto „Jenseits des Trubels“ bot er am Sonntag nach 35 Jahren seine letzte Führung an, für alle Interessenten und kostenlos, über die Höhen von Würzburg.
Dass seine Führungen unter anderem auch auf einen Faschingsdienstag fallen, war irgendwann Zufall. Weil aber immer Leute da waren, denen genau das gefiel, machte er so weiter. Naturführungen in ruhiger Gegend, jenseits der Faschingswagen und der Helau-Rufe.
Anfangs hatte Beck vor allem junge Familien im Schlepptau. Damals arbeitete er mit Conny Baumann vom SV05 zusammen, einer guten Freundin aus Heidingsfeld, wo er selbst auch wohnt. Als Verfechterin des Sports sorgte sie für viel Publikum bei Becks Wanderungen, berichtet er. Inzwischen ist es sein Sohn Eckhard Gunther Beck, Gärtner und Landschaftspfleger, der ein Stück weit in die Fußspuren seines Vaters tritt. Aber „er ist Gärtner, ich Naturschützer“, versucht Beck sen. zu erklären, dass eben jeder so seine Art hat. Der eine begutachtet die Bäume, der andere ist erfüllt von Poesie, wenn er sie sieht. Liebesgedichte, Sinngedichte, Naturgedichte, Balladen, Kostbarkeiten bedeutender und manchmal fast unbekannter Dichter rezitiert Beck sen. unterwegs immer wieder gerne.
Beim Laufen benutzt der Senior einen Stock aus Birne – die wächst am eigenen Haus empor, und wenn der Stock abgenutzt ist, kommt der nächste – wieder aus dem Eigenanbau.
Treffpunkt für die letzte Führung: Die drei Pappeln unweit des Oskar-Neisinger-Weges, der den Waldkugelweg mit dem Heriedenweg verbindet, an der Bushaltestelle „Am Wald“. Ein paar Meter auf dem Halbtrockenrasen ins Grüne mit beeindruckendem Blick auf die Stadt. Dort habe es früher nur drei Pappeln gegeben, sagt Beck und schmunzelt. Durch Schafbeweidung sei ein Teil des Terraines offen geblieben, aber drumherum steht die Gruppe unter Bäumen, vorwiegend unter Tannen. Die habe es früher hier nicht gegeben, erinnert sich Beck an seine Kindheit und Jugend: Alles „erst in den letzten 50 bis 60 Jahren gewachsen“.
Hinüber zum Oskar-Neisinger-Weg mit Blick auf Heidingsfeld, am Oberen Blosenbergweg nach links, dann 20 Meter durch die Büsche ins offene Grün. Beck bleibt in der Lichtung stehen und zählt auf, was hier in Kürze zu finden sein wird: Heckenrosen, Schlehen, Hartriegel, Weißdorn. Zwischendurch erfährt er von seinen Gästen, wer wen kennt und mit wem verwandt ist, dann spricht er über den Guggelesgraben im hinteren Steinbachtal, auch wenn der gerade nicht nebenan ist.
Küchenschellen werden zu Ostern blühen, und viele Orchideen.
Die Gruppe hört zu, wenn Beck Gedichte vorliest „von meinen persönliches Dichterfreunden“, sagt er. Nachdenken, so wie es nur hier in der Ruhe möglich ist. Beck wird auch gern politisch, bezeichnet sich als Europäer statt als Deutscher, mit „Vorfahren aus dem Osten und Vorfahren meiner Frau aus dem Westen.“
Beck wird wohl hier und da noch laufen, in Ruhe. Sich die frühere Agrarsteppe, wo heute der Golfplatz ist, ansehen. Nachdem dort „Wasser eingebracht wurde, gedeihen Schilf, Rohrkolben, Weidenbruch, und Erdbienen fanden ihr Zuhause. Falken und Bussarde ziehen vorbei, dort, wo in der Nachbarschaft Eckehard W. Beck wohnt. „Wir“ heißt ein kurzes Gedicht aus seiner eigenen Feder: „Wir haben keine Visionen mehr, die Zukunft hat keine Gestalter. Wer verteidigt noch das Erbe, das wir unseren Kindern hinterlassen?“