Mehr als zwei Jahre nach dem tödlichen Vorfall, der die Menschen der Gemeinde Denklingen in Schockstarre versetzte, ist nun das Urteil im Amtsgericht Landsberg gefallen. Die angeklagten Geschäftsführer des Bauunternehmens, ein 64-Jähriger und sein 30 Jahre alter Sohn, wurden am Montag schuldig gesprochen. Der Junior-Chef erhält eine Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Sein Vater wird zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Im Oktober 2020 war in Denklingen bei Betonarbeiten die Decke eingestürzt. Ein 16 Jahre alter Auszubildender, ein 34-Jähriger und zwei 37-Jährige wurden durch Trümmer und flüssigen Beton verschüttet und starben. Ein weiterer Arbeiter wurde körperlich verletzt und bekam zudem durch das Unglück erhebliche psychische Probleme.
Vier Bauarbeiter wurden in Denklingen von einer Decke erschlagen: Statiker äußert sich im Prozess kritisch
Der wichtigste Zeuge am zweiten Verhandlungstag lässt die Aussagen des beauftragten Tragwerkplaners und seiner angestellten Bauingenieurin in einem anderen Licht erscheinen. Der Bauingenieur und Statiker war selbst nicht auf der Baustelle. Die Kriminalpolizei hatte ihn um Beratung gebeten und gefragt, ob ihre bisherige Ermittlungsarbeit aus seiner Sicht schlüssig ist.
In einem Punkt gibt er dem damals beauftragten Planungsbüro recht: Traggerüste seien ein Spezialgebiet und deren statische Berechnung sei daher bei den Schalungsherstellern angesiedelt. Doch die Arbeitsweise des Ingenieurbüros bezeichnet er als verantwortungslos. Er wisse nicht, ob diese Überprüfung unter die Aufgaben eines Sicherheits- und Gesundheitskoordinators fällt. Er erledige sie ohnehin ungefragt. „Im Zweifelsfall mache ich es, weil ich am ehesten weiß, was hält und was nicht.“ Doch sollte das instabile Tragwerk auch ein erfahrener Bauunternehmer erkennen? „Ja klar“, sagt der Statiker sofort und fügt hinzu: „Da hat man sich wahnsinnig überschätzt.“
Kurzfristig wird noch der Vater des verstorbenen Vorarbeiters in den Zeugenstand gerufen. Der Denklinger hatte Richter Michael Eberle nach dem ersten Verhandlungstag kontaktiert. Auch er will mit seinem Sohn über das Gerüst und seine Standsicherheit gesprochen haben. „Warum nimmst du nicht die langen Stützen?“, habe er seinen Sohn gefragt. Doch dieser habe geäußert, dass er keine anderen Stützen bekomme und man das wirtschaftlich sehen müsse. Die Zeugenaussage ist schnell beendet. Nach seiner Zeugenaussage nimmt der Mann wieder im Publikum Platz und Richter Eberle schließt daraufhin die Beweisaufnahme.
Der Richter sieht die Schuld am Denklinger Baustellenunglück auf viele Schultern verteilt
Staatsanwalt Gregor Hohenadl verdeutlicht in seinem Plädoyer: Die durchgeführte Beweisaufnahme mit Bildern und Zeugenaussagen zeige, dass das Tragegerüst gänzlich instabil und damit für den Zusammenbruch verantwortlich gewesen sei. Als gravierendste Fehler zählt der Staatsanwalt die ungeeigneten Stützten und Auflagen sowie eine unzureichende Standsicherheit des Bodens auf. Laut Hohenadl könne man den Angeklagten einen Vorwurf machen. Sie hätten gegen die Sorgfaltspflicht und die DIN-Vorschrift verstoßen. Das „halbe Dorf Denklingen“ habe sich zudem über das Gerüst unterhalten und gewisse Mängel festgestellt. Das hätten auch die Angeklagten als Bauherren feststellen müssen, sagt der Staatsanwalt, der für Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten für den Juniorchef und einem Jahr und zwei Monaten für den Vater auf Bewährung plädiert.
Auch für die Nebenklagevertreter besteht kein Zweifel an der Verantwortung der Angeklagten, sie üben einen schärferen Ton. Die Angeklagten hätten mit ihrer Verteidigungsstrategie dem Vorarbeiter und der Sicherheitskoordinatorin die Schuld zuschieben wollen.
Für die Verteidiger der Angeklagten steht fest, der Bauleiter hat eine Freiheitsstrafe verdient: „Er hat sich strafbar gemacht, alles andere wäre juristischer Schwachsinn“, betont Verteidiger Robert Chasklowicz. Dennoch fordert im Gegensatz zu den anderen Prozessbeteiligten eine Strafmilderung, denn „am Ende des Tages war es die furchtbare Verkettung einer ganzen Reihe von Verfehlungen“, so der Verteidiger, für die auch andere eine Mitverantwortung trugen.

Richter Michael Eberle spricht nach einer kurzen Unterbrechung beide Angeklagten der fahrlässigen Tötung in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig. Eberle erklärt seine Urteilsfindung ebenfalls damit, dass die Schuld nicht allein auf den Schultern des Bauleiters liege, auch wenn er ein erhebliches Maß an Verantwortung trage. Das für die Planung zuständige Ingenieurbüro hätte sich um die Sicherheit des Gerüsts kümmern können, auch wenn dies nicht ausdrücklich beauftragt gewesen sei. Zudem sei das Traggerüst verantwortlich von einem Vorarbeiter gebaut worden, der dann selbst ums Leben gekommen ist.
Die Angeklagten müssen neben ihrer Bewährungsstrafe als Auflage eine Geldsumme in Höhe von insgesamt 40.000 Euro zahlen. Das Geld soll den Hinterbliebenen, dem Verletzten sowie der Feuerwehr Denklingen und dem Bayerischen Roten Kreuz Landsberg zugutekommen. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Die Verteidigung gab noch im Gericht bekannt, dass ihre Mandanten das Urteil aller Voraussicht nach nicht anfechten werden.