Eine heimliche Beziehung und ein florierendes Verkaufsmodell sind Gegenstand eines Prozesses am Amtsgericht Augsburg. Angeklagt sind eine ehemalige JVA-Bedienstete, ein damaliger Häftling der JVA Kaisheim, mit dem sie eine Beziehung und mindestens einmal Sex in einem Stationsbüro des Gefängnisses gehabt haben soll, sowie die Eltern des Insassen. Gemeinsam sollen die vier laut Anklage einen Plan entwickelt haben, um an Geld zu kommen. Doch wie genau dieses Geschäftsmodell ausgesehen hat, darüber werden sich die Angeklagten in ihren Aussagen nicht einig.
JVA-Bedienstete hat laut Anklage Handys ins Kaisheimer Gefängnis geschmuggelt
Die ehemalige Mitarbeiterin lässt ihren Anwalt Patrick Schmidt für sich sprechen. Er berichtet von den ersten Treffen zwischen der heute 30-Jährigen und dem damaligen Häftling, das im Januar 2022 stattgefunden haben soll. Man habe sich sofort gut verstanden und schon bald seien erste Liebesbekundungen zwischen den beiden gefallen. Im Zuge dessen hätten die beiden mindestens einmal Sex in einem Stationsbüro der JVA gehabt.
Schließlich habe der gebürtige Brasilianer die 30-Jährige gefragt, ob sie ihm einen Gefallen tun würde. Dass es sich um den Schmuggel von Handys handeln würde, habe sie zunächst nicht gewusst. Die 30-Jährige präsentiert sich als reumütig, sie habe es aus Liebe getan, lässt sie über ihren Anwalt verlauten - schließlich habe sie die Beziehung zu dem 34-Jährigen auch nach dessen Entlassung aus der JVA zunächst weitergeführt, man habe über Kindernamen und Hochzeit gesprochen.
Sie habe sich dann zu einem Treffen mit den Eltern ihres Liebhabers eingefunden und dort zweimal je fünf Handys und 2000 Euro bekommen. Dieses Treffen habe der Häftling über ein Handy vereinbart, das er bereits heimlich besessen hätte.
Prozess in Augsburg: Aussagen gehen auseinander
Anders hat ihre ehemalige Schwiegermutter in spe, die mithilfe einer Dolmetscherin aussagt, die Geschichte in Erinnerung. Nicht ihr Sohn, sondern die JVA-Mitarbeiterin habe sie angerufen, zudem habe sie nicht zweimal 2000, sondern einmal 1500 und einmal 3500 Euro an ihre Mitangeklagte übergeben, also insgesamt 5000 Euro. Die zusätzlichen 1000 Euro habe sie der 30-Jährigen für Spesen bezahlt, da diese ihrem Sohn Essen und Getränke besorgt habe. Während dieser Aussage wirft die 30-jährige Ex-Angestellte der JVA der Frau irritierte Blicke zu, murmelt einmal sogar „Schwachsinn“. Anwältin Ingrid Spiegel-Haube fällt ihrer Mandantin gleich mehrmals ins Wort, als diese sich immer mehr in Widersprüche verstrickt. Und auch der 34-jährige Sohn fährt seiner Mutter auf Portugiesisch dazwischen, mit einer Aussage, die der Staatsanwalt sofort übersetzen lässt: „Ihr fickt mich.“
Nicht unbedingt eine abwegige Aussage, denn der 34-Jährige selbst schildert dem Gericht einen völlig anderen Sachverhalt: Er habe sich nicht bereichern wollen, sondern sei viel mehr von einem Mithäftling erpresst worden. Da jener Mithäftling kein deutscher Staatsbürger sei und daher keine Kontakte „draußen“ gehabt habe, habe er ihn, den 34-Jährigen, angestiftet, sich Handys in die JVA Kaisheim bringen zu lassen. Die 10.600 Euro, die er durch den Verkauf der Handys eingenommen habe, hätte er seinem Erpresser dann im Nachgang überweisen sollen. Allerdings erst, wenn dieser in sein Heimatland abgeschoben worden sei. Wer der Erpresser ist, will der 34-Jährige nicht sagen. Er beteuert jedoch, dass weder seine Eltern noch seine damalige Geliebte von der Erpressung gewusst hätten.
Urteil gegen ehemalige Bedienstete der JVA Kaisheim fällt milde aus
Es ist unter anderem diese Aussage, die den 34-Jährigen wieder zurück in die JVA bringt. Sie könne sich kaum vorstellen, wie sich der Angeklagte durch die heimliche Beziehung erpressbar gemacht habe, so Richterin Alexandra Lehner. Schließlich sei diese für den 34-Jährigen überhaupt nicht strafbar gewesen. Weil erhöhte Fluchtgefahr bestehe und der Angeklagte zudem stolze 14 Vorstrafen vorzuweisen habe, einigten sich Richterin und Schöffen auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat. Damit blieben sie knapp unter der Forderung des Staatsanwalt, der sich für zwei Jahre und vier Monate ausgesprochen und den Schmuggel von Handys in ein Hochsicherheitsgefängnis als „Todsünde“ bezeichnet hatte. Dem schloss sich die Richterin an: „Das Leben ist kein Ponyhof, besonders im Gefängnis“, sagte sie. Dort würden die Handys nicht nur für Kontaktaufnahme mit der Familie, sondern auch für die Vorbereitung weiterer Straftaten genutzt.
Die 30-Jährige kam glimpflich davon: Weil sie offensichtlich aus Liebe zu dem Häftling gehandelt habe, bekam sie eine Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurden, sowie eine Geldstrafe. „Wir glauben, dass Sie genug gestraft sind, da sie in einem dörflichen Umfeld leben, wo jeder Bescheid weiß“, so die Richterin.
Für die Eltern gab es ein ebenfalls eher mildes Urteil: Elf Monate, zu drei Jahren Bewährung ausgesetzt, für die Mutter als Mittäterin, für den Vater, der wegen Beihilfe verurteilt wurde, 150 Tagessätze zu je 30 Euro, also insgesamt 4500 Euro.
Die ehemalige JVA-Bedienstete war im November 2022 direkt in der JVA während des Schichtwechsels festgenommen worden, was für großes Aufsehen in der Justizvollzugsanstalt gesorgt hatte.