LOHR. Ein Feuerwerk des schrägen Humors hat das Darmstadter Kikeriki-Theater am Donnerstag abgebrannt. Die Hessen sorgten mit dem Stück »Schräge Vögel« für eine mit 500 Besuchern praktisch ausverkaufte Stadthalle. Denn Karten für die Empore waren nicht im Angebot, von dort aus hätten die Zuschauer hinter die Kulissen sehen können.
Mit dem Gastspiel haben die Hessen eine Tradition aus der Zeit vor der Pandemie wieder aufgenommen, als sie regelmäßig nach Lohr kamen: Mit »Das Cabinet des Dr. Goggelores« 2017, »Achtung Oma« 2018 und »Der Deppenkaiser« 2019. Das 1979 von Roland Hotz gegründete Puppentheater spielte zunächst nur für Kinder und hat seit 1984 auch abendfüllende Stücke für Erwachsene im Programm.
Hotz stand auch dieses Mal auf der Bühne und nannte sein Werk »nicht das beste hessische Theater, aber das bekloppteste«. Die Zuschauer sollten den Alltag vergessen und richtig lachen. Denn Lachen verlängere das Leben, weil es für mehr Sauerstoff im Blut sorge. »Schräge Vögel« besteht aus kurzen Szenen mit Hotz selbst, Lukas Hotz, Steffen Stütz und Bernd Körner.
Derbe Streitereien
Allerdings wurde der Fortgang des Stückes durch Hahn Paul aufgehalten, der immer wieder sein experimentelles Theaterstück aufführen wollte, das er »eigens für Lohr geschrieben« hatte. Das führte zu heftigen, derben Wortgefechten, von Paul mit Schweizer Akzent geführt, von Hotz im schnoddrigen hessischen Dialekt der Darmstädter Gegend, der »Heiner« genannt wird. Die derben Streitereien sind ein Kennzeichen des Kikeriki-Theaters.
So hielt Hotz Paul vor, er sei der Direktor des Theaters, Paul dagegen nur eine Puppe, was dieser nicht glauben wollte. Dann solle er doch einmal unter sich schauen, riet ihm Hotz. Paul erschrak und fing zu schimpfen an: »Nimm sofort die Hand aus meinem ...«
»Der große Bernardo« (Körner) sang für die schönen Frauen eine flotte Version von »Buona Sera Signorina«, Hotz hielt mit einem Lied für die hässlichen Männer dagegen. In dieser bislang eher unbekannten Version von »Ein Männlein steht im Walde« hat das Männlein einen Kasten Cola und zwei Flaschen Rum dabei, mit absehbaren Folgen.
Die beiden Kanalratten Abrazzo und Körbel, bekannt aus anderen Stücken des Theaters, stritten und versöhnten sich wieder. Abrazzo erklärte Körbel zu seiner Familie, was diesen freute, hatte er doch seine eigene Familie im Labor verloren, wo sie »durch den Mixer gejagt« wurde. In diesen hatte er sie allerdings selbst hineingelockt, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Die Kartoffelkomödie mit verkleideten Knollen um die Entführung einer Prinzessin endete tragisch mit dem Tod mehrerer Kartoffeln. Hotz lenkte den Blick auf das »traumhafte Bühnenbild«, zwei kleinen Bäumchen, die den königlichen Garten darstellen sollten. Diese seien noch aus reinem Styropor. Denn seine Großmutter sei in Erbach eine der letzten Styroporschnitzerinnen gewesen.
Zebra auf dem Bauernhof
Schließlich kapitulierte Hotz vor Paul und ließ ihn sein experimentelles Stück »Das Zebra auf dem Bauernhof« aufführen. Die Figuren bestanden aus zurechtgeschnittenen Umzugskartons. Den Applaus des Publikums kommentierte der Theatergründer bissig: »Wir versuchen seit 46 Jahren, Erwachsenen Puppentheater beizubringen und ihr klatscht.«
Die Streitereien zwischen Hotz und Paul um Stück und Figuren sowie die bizarren Dialoge des Stücks waren einer der Höhepunkte des Abends. Gag folgte auf Gag, so dass mancher Zuschauer deutlich hörbar kurz vor einem Lachkollaps stand.
Ähnlich anstrengend fürs Zwerchfell war der Auftritt des fröhlichen Freimuth aus Bockenwerda, dem Star einer jeden Kombinatsfeier, den Paul vergeblich zu verhindern versuchte. In breitem Sächsisch sang er die »Capri-Viescher« und lud die anwesende Damenwelt für hinterher in seine Garderobe ein. Er trage nur einen kurzen Bademantel und lasse sein Talent heraushängen.
Als Kasperl nach elf Monaten im Knast nach Hause kam, wunderte er sich: Seine Frau, das Gretsche, brachte gerade ein Kind zur Welt, das Salvadorsche. Das sah verdächtig wie der »große Bernardo« aus, aber seine Frau erklärte ihm, er solle sich wegen der elf Monate nicht wundern, die Sommerzeit habe alles durcheinandergebracht.
Missverständlicher Chanson
Zum Abschluss demonstrierte Roland Hotz, dass Live-Werbung für Alkohol im Fernsehen keine gute Idee ist. Im Gin-Sketch war er bei jedem neuen Auftritt derangierter. Das letzte Wort hatte Hahn Paul, der als Zugabe den Chanson »Ich bring mich um ... die schönste Stunde, wenn ich jetzt gehe« sang. Das Publikum belohnte das Ensemble mit viel Applaus.