Anwohner, Polizei, Landratsamt, Stadt Lohr - seit deutlich über einem Jahr hat ein an der Rodenbacher Straße zwangsabgestellter Kleinwagen immer wieder bei verschiedene Instanzen für Arbeit oder Verärgerung gesorgt. Nun ist er weg. Die Geschichte eines bis zuletzt kuriosen Falls.
Der Anblick war zuletzt fast idyllisch: Von Zweigen und Blättern umrankt stand er da, der kleine silberne VW Lupo. Seit März 2024 gehörte das Auto zum festen Anblick in der Rodenbacher Straße. Anfangs stand das Fahrzeug mit entstempeltem Kennzeichen gegenüber dem ehemaligen Studienseminar Aloysianum noch am Fahrbahnrand, zunehmend bedeckt beziehungsweise umgeben von Staub und Schmutz.
Irgendwann verfrachtete irgendwer das Fahrzeug in den angrenzenden Grünstreifen. Dort konnte man dann bis noch vor wenigen Tagen dabei zusehen, wie sich das angrenzende Buschwerk anschickte, den stählernen Nachbarn zu überwuchern.
Halter mittlerweile unbekannt
Doch nun fand der Langzeitversuch »Grünzeug verschlingt Auto« ein abruptes Ende: Das Landratsamt hat den Kleinwagen durch einen Autoverwerter wegschaffen lassen - auf Antrag der Stadt Lohr. Der kuriose Schlussakkord eines kuriosen Falls: War der Halter des Fahrzeugs anfänglich noch bekannt, änderte sich das zuletzt.
Der Reihe nach: Im März vorigen Jahres hatte die Lohrer Polizei den Kleinwagen in der Rodenbacher Straße gestoppt. Da die Frau am Steuer keinen Führerschein besaß, musste das Fahrzeug an Ort und Stelle geparkt werden. Weil das Auto überdies ohne Versicherungsschutz war, entfernte die Polizei den Zulassungsstempel auf dem Kennzeichen.
Ein solches Entstempeln kommt einer Betriebsuntersagung gleich. Das Fahrzeug bleibt zwar angemeldet, darf aber nicht mehr bewegt werden.
Der Halter des Wagens hätte sein Vehikel allerdings auch gar nicht wegfahren können, da er gemäß Informationen der Redaktion zum damaligen Zeitpunkt hinter Gittern saß. Und so wurde der VW Lupo also zum Dauerparker, was unter anderem daran zu erkennen war, dass sich um Auto herum zunehmend Pflanzenabfälle ansammelten und die Schmutzschicht auf der Karosserie stetig zunahm.
Beschwerden von Anwohnern
Das führte recht bald zu Beschwerden von Anwohnern bei Stadt und Landratsamt. Auch in der Redaktion landeten mehrfach Hinweise auf das Auto im Dornröschenschlaf.
Die Behörden indes sahen ihre Hände gebunden. Man könne den Dauerparker nicht einfach wegschaffen, teilte etwa das Landratsamt im vorigen September mit, nachdem das Auto schon ein halbes Jahr an der Straße gestanden hatte.
Stattdessen skizzierte die Behörde folgendes Prozedere: Zunächst müsse die für solche Fälle zuständige Kommune den Halter mit einer Fristsetzung zum Entfernen des Fahrzeugs auffordern. Lediglich wenn von ihm eine Gefahr ausgehe, etwa durch auslaufende Betriebsstoffe, könne die Polizei im Zuge der Verkehrsüberwachung tätig und das Fahrzeug als letztes Mittel auch abgeschleppt werden, so das Landratsamt seinerzeit.
Zwangsabmeldung
Doch weil von dem Auto keine solche Gefahr ausging und es auch noch zugelassen war, hatten die Behörden nach eigener Darstellung keine Handhabe.
Ebenfalls im September des vergangenen Jahres setzte das Landratsamt dann aber doch einen rechtlichen Hebel an: Es veranlasste kurzfristig die Zwangsabmeldung des über Monate nicht mehr bewegten Fahrzeugs. Eine behördliche Zwangsabmeldung ist beispielsweise dann möglich, wenn über längere Zeit der Versicherungsschutz fehlt.
Die Abmeldung sollte der Stadt die Möglichkeit eröffnen, den Halter zum umgehenden Entfernen des Wagens aufzufordern. Doch diese Aufforderung lief offenbar ins Leere. Jedenfalls stand der Wagen weitere Monate am Straßenrand, bevor er irgendwann von der Fahrbahn in den angrenzenden Grünstreifen »umgeparkt« worden sein muss.
Eigentümer hatte Auto verkauft
Das Landratsamt erklärt den weiteren monatelangen Fortbestand des automobilen Dornröschenschlafs nun gegenüber der Redaktion damit, dass es der Stadt »trotz aufwendiger Recherche nicht gelungen« sei, den Eigentümer des Fahrzeugs zu ermitteln.
Auf Nachfrage konkretisiert Markus Rill, Pressesprecher der Behörde, dass der Halter im vergangenen Jahr zwar noch bekannt gewesen sei, dann jedoch angegeben habe, den Wagen verkauft zu haben. Der genannte Käufer habe jedoch signalisiert, sich nicht als Eigentümer des Autos zu sehen. Einen Kaufvertrag, so Rill, habe es nicht gegeben.
»Verbotswidrig abgestellt«
Und so stand das mittlerweile als herrenlos geltende Fahrzeug also weiter Woche um Woche neben der Rodenbacher Straße - verbotswidrig abgestellt, wie es im Behördendeutsch heißt. Die Stadt brachte schließlich einen roten Aufkleber an dem Wagen an, mit dem der Eigentümer aufgefordert wurde, es binnen einer gesetzten Frist zu entfernen. Doch niemand holte den Kleinwagen ab.
In solchen Fällen kann eine Kommune gemäß Artikel 18 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes beim Landratsamt die Entfernung beantragen. Das hat die Stadt laut Landratsamt am 29. April getan.
Das Landratsamt hat dem »Antrag auf Verwertung des Fahrzeugs« vor wenigen Tagen Folge geleistet. Ein Verwertungsunternehmen habe das Auto in der vergangenen Woche abgeholt, so Pressesprecher Rill.
Wohl keine offenen Kosten
Außer dem Ärger der Anwohner, der behördlichen Arbeit und einer interessanten Erfahrung der Öffentlichkeit mit einem Auto im Dornröschenschlaf bleiben am Ende aller Voraussicht nach zumindest keine vom Steuerzahler zu tragenden Kosten.
Bei einer früheren Nachfrage hatte das Landratsamt jedenfalls erklärt, dass dem Auftraggeber durch das Entsorgen solcher Schrottautos in der Regel keine Kosten entstünden, da der Erlös aus der Schrottverwertung den finanziellen Aufwand übersteige.