LOHR. Ist es »familienfreundlich«? Oder »naturnah«? Oder »vieles auf engstem Raum vorhanden«? Welche Begriffe beschreiben Lohr authentisch, mit welchen sollten Einheimische wie Auswärtige die Stadt verbinden? Vor dieser Frage standen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des sogenannten Fokus-Forums am Donnerstag in der Stadthalle zur Entwicklung einer neuen Stadtmarke für Lohr.
Das Forum markiert nach den Worten von Bürgermeister Mario Paul etwa die Halbzeit des Stadtmarkenprozesses, es sei ein »Angebot zum Mitdenken und Mitmachen«. 57 Personen hatten sich dafür angemeldet, viele davon aus dem Stadtrat und der Verwaltung. Die Zahl wertete Clara Beck vom Citymanagement als Erfolg.
Laut Paul sollte es um die Frage gehen, was man an Lohr besonders schätzt: »Weswegen steht Lohr bei ihnen im Fokus? Was macht Lohr besonders, hebt es von anderen Städten ab?« Es gehe darum, den »Kern, die Idee zu finden, die uns alle eint, bei der wir sagen: Ja, das ist unser Lohr«.
Gemeinschaft stärken
Mit der Stadtmarke im Rücken soll Lohr nach den Worten des Bürgermeisters Herausforderungen, »vor denen wir als Stadtgemeinschaft stehen, besser bewältigen, als wenn wir sie nicht hätten«. Diese Stadtmarke müsse »prägnant sichtbar sein mit etwas, das positiv besetzt ist«. Sie solle den Gemeinschaftssinn in Lohr und seinen Stadtteilen stärken.
Marken gäben »Orientierung, etwas, was wir mehr denn je benötigen«, erläuterte Tobias Klöpf, Bereichsleiter Destinationsmanagement und -entwicklung in der beauftragten Agentur Project M (Hamburg, München). Denn es sei eine Zeit fundamentaler Veränderungen mit großen Baustellen wie der Digitalisierung und dem Klimawandel. Hinter einer Marke steckten gemeinsame Werte.
Senior Consultant Stephan Grapentin ergänzte, die Marke solle das Image der Stadt schärfen. Die Identifikation der ortsansässigen Bürger, Vereine und Unternehmen solle durch sie erhöht werden. Nach außen solle die Marke die Attraktivität der Stadt und ihrer Angebote steigern und ihre Anziehungskraft erhöhen. Beim Forum gehe es um die »Erarbeitung und Schärfung zentraler Markenbestandteile«.
Vier Arbeitsgruppen
In einer ersten Runde konnten die Anwesenden über ihr Smartphone auf einer Internetseite eingeben, welche Begriffe ihnen zu Lohr einfallen und was Lohr für sie besonders macht. Im Laufe der dreistündigen Veranstaltung wurden vier Gruppen zu den Themen Freizeit, Kultur und Tourismus, Wirtschaft, Unternehmen und Handel. Politik und Verwaltung sowie Bürger gebildet.
Die Gruppenmitglieder konnten zu mehreren Fragenkomplexen Antworten auf Zettel schreiben, an Pinnwände heften und ihre Bedeutung mit bunten Punkten gewichten, darunter: Was sollte jemandem ihrer Ansicht nach beim Gedanken an Lohr als Wirtschafts-, Tourismus-, Politik- und Bürgerort in den Sinn kommen?
Heraus kam ein buntes Sammelsurium unterschiedlichster Begriffe. Zum Thema Wirtschaft fiel den Gruppenmitgliedern unter anderem ein: Hightech-Standort, der aber viel Bodenhaftung hat, und hohe Branchenvielfalt. Von der Bürger-Gruppe wurden Heimat, Familie und Naturnähe genannt, beim Tourismus Altstadt, Fachwerk und Schneewittchen sowie bei der Politik Vielfalt, Engagement und Bürgernähe.
In der anschließenden Diskussion meinte ein Neubürger, in Lohr sei sehr viel auf engstem Raum vorhanden, das Leben in Lohr sei deshalb »sehr effektiv«. Vor Veränderungen in der Sozialstruktur der Altstadt warnte ein anderer Mann. Die Altstadt müsse vitalisiert werden, »sonst gibt es einen immer stärkeren Abgang von Wertschöpfung in die Großstädte«.
Grundsätzliche Kritik
Grundsätzliche Kritik am Verfahren äußerte Ulla Scherer, die Lohr nach eigenen Worten »super« findet. Durch eine Stadtmarke komme kein Gast und kein Betrieb zusätzlich nach Lohr. Die Lohrer bräuchten »keine Hamburger Firma, die uns sagt, was wir tun sollen«. Alle anwesenden Agentur-Mitglieder seien aus der Münchner Niederlassung, verteidigte sich Klöpf.
»Wir haben Herausforderungen in der Altstadt«, erklärte Bürgermeister Paul. Es sei schwierig, mit den Leerständen umzugehen. Auch das gastronomische Angebot sei zurückgegangen. Eine Marke sei mehr als ein wiedererkennbares Logo, so Grapentin. Vielmehr sei sie ein »in der Psyche des Konsumenten verankertes unverwechselbares Vorstellungsbild einer Leistung. Diese Leistung werde über einen längeren Zeitraum in einem gleichen Auftritt und gleicher Qualität angeboten.
Stadtmarken seien »Leitplanken und Regieanweisungen für die Entwicklung und Außendarstellung«. Sie stünden für eine spürbare Aura, die einen Ort umgebe: »Sinnstiftend ist das, was uns stolz macht, wenn wir davon erzählen.«
Ergebnisse im Juni
Eine Entscheidung fiel am Donnerstag noch nicht. Die Online-Befragung für alle Interessierten auf der städtischen Homepage läuft noch weiter. Zudem gab es am Donnerstagvormittag Gesprächsrunden von Project M mit Schülerinnen und Schülern. Eine Ergebnispräsentation in der Steuergruppe und im Stadtrat soll es im Juni geben.