Die erneut ernüchternde Steuerschätzung für Bayern schränkt laut Finanzminister Albert Füracker die finanziellen Möglichkeiten des Freistaats weiter ein. «Wir stellen den Doppelhaushalt 2026/2027 im unsicheren Umfeld auf. Das wird keine leichte Aufgabe, aber wir müssen grundsätzlich mit dem auskommen, was wir einnehmen», sagte der CSU-Politiker in Nürnberg bei der Vorstellung der regionalisierten Mai-Steuerprognose.
Das Defizit könne nicht dauerhaft durch Rücklagen oder neue Schulden gedeckt werden. «Mein Ziel bleibt es, keine neuen Schulden zu machen, aber ich kann es nicht versprechen».
Keine Spielräume für Ausgabensteigerungen
Für den Doppelhaushalt 2026/2027 bedeute dies, «dass wir keinen Spielraum für größere Ausgabensteigerungen sehen», sagte Füracker. Es brauche eine Ausgabendisziplin und eine kluge Prioritätensetzung. «An der einen oder anderen Stelle wird eine Konsolidierung unumgänglich sein.»
Wünschenswertes müsse vor dem Notwendigen zurücktreten. «Wir geben Vorrang für Investitionsausgaben gegenüber konsumtiven Ausgaben, so wie natürlich auch den Personalausgaben.»
Neuste Prognose sagt keine Trendwende voraus
«Die öffentliche Haushaltslage ist und bleibt enorm angespannt und damit weiter eine Herausforderung. Gegenüber der letzten Herbstschätzung rechnen wir für 2026 zwar mit einem leichten Plus von rund 0,1 Milliarden Euro, für 2027 wiederum mit einem leichten Trend ins Negative», sagte er.
Ende Oktober 2024 hatten die Steuerschätzer dem Freistaat bis 2026 Steuerausfälle von rund 2,4 Milliarden Euro vorausgesagt. Das geht aus der regionalisierten Steuerschätzung für den Freistaat hervor. Allein für das laufende Jahr wurde das Minus auf rund 900 Millionen Euro beziffert – verglichen zu vorherigen Prognosen. Für 2026 lagen die errechneten Einnahmeverluste bei rund 1,5 Milliarden Euro.
Den Zahlen liege die Annahme zugrunde, dass es in diesem Jahr eine gesamtwirtschaftliche Stagnation gebe, sagte Füracker. Im Oktober war noch ein Wachstum von 1,1 Prozent erwartet worden. Für 2026 sei nun ein reales Wachstum von 1,0 Prozent berücksichtigt, nach 1,6 Prozent im Oktober.
Steigende Personalkosten bei sinkenden Einnahmen
Wegen der seit Jahren schwierigen konjunkturellen Entwicklung klagen Freistaat wie Kommunen über stetig sinkende Steuereinnahmen bei gleichzeitig schnell steigenden Ausgaben. Insbesondere die Ausgaben für das seit Jahren zahlenmäßig wachsende Personal im öffentlichen Dienst – etwa Lehrer und Polizisten – kosten den Staat immer mehr Geld.
Hinzu kommen Tariferhöhungen. Die Staatsregierung konnte dies bisher auch dank Geldern aus der Rücklage kompensieren und so die Investitionsquote hoch halten.
Vergangene Woche hatte CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek wegen der sinkenden Steuereinnahmen in Bayern einen außerplanmäßigen Kassensturz und finanzielle Konsequenzen für künftige Projekte im Freistaat angekündigt. «Wir werden noch vor der Sommerpause eine Haushaltsklausur machen, um angesichts vermutlich sinkender Einnahmen zu klären: Wo gehen wir finanziell hin?», sagte er. Er werbe dafür, klar zu sagen, was sich der Staat noch weiter leisten könne und müsse.
Holetschek: «Keine einfache finanzielle Situation»
«Wir haben ohne Frage keine einfache finanzielle Situation», sagte Holetschek. «Versprochene Projekte werden wir erfüllen.» Das habe auch etwas mit Vertrauen zu tun. «Wir müssen aber auch fragen: Was kann man finanziell leisten? Wo liegen die Prioritäten? Was ist absolut notwendig?», sagte er.
Man müsse in Zukunft auch über neue Finanzierungsinstrumente nachdenken. Zuletzt beklagten Kommunen im großen Stil fehlende Fördermittel des Freistaats im sozialen Wohnungsbau.
Füracker: «Deutschland braucht wirtschaftliche Trendwende»
Die Ergebnisse der Steuerschätzung zeigten: Deutschland brauche eine wirtschaftliche Trendwende – das Land sei Schlusslicht unter den G7-Staaten und liege bei den G20-Staaten nur auf dem vorletzten Rang, sagte Füracker. «Wir stehen vor dem dritten Jahr in Folge ohne Wachstum.» Das seien alles Alarmsignale für die einstige Lokomotive Europas und «ein desolates Zeugnis».
Viele Unsicherheiten in aller Welt belasten Bayern
Gründe zur Hoffnung für eine schnelle Trendwende gibt es keine. Der Krieg in der Ukraine, Digitalisierungs- und Dekarbonisierungsfragen und das angespannte transatlantische Verhältnis zu den USA seien große Herausforderungen.
«Es geht um Zölle oder gar einen Handelskrieg. Und beides würde natürlich die deutsche und die bayerische Wirtschaft enorm treffen, so dass die Gesamtsituation positiv ausgedrückt, sehr volatil bleibt», sagte Füracker. Die neue Bundesregierung müsse daher schnell Vertrauen zurückgewinnen und die deutsche Wirtschaft wieder beleben.
Zweimal im Jahr liefert der Arbeitskreis «Steuerschätzungen» des Bundes Prognosen zur Entwicklung der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen. Die Vorhersagen sind immer mit hohen Unsicherheiten behaftet.
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