Die farbigen Geschenkbänder passend zuschneiden, sie falten, miteinander verweben und schließlich die Enden durch die Ösen schieben. Um Fröbelsterne zu basteln braucht es viele verschiedene Handgriffe, die sitzen müssen. Denn eine falsch gelegte Falte und der schöne Stern fällt wieder auseinander. Annemarie Arnold hat die einzelnen Bewegungen verinnerlicht. Vielen Kissingern nur als Sternenfrau bekannt, bastelt die 90-Jährige seit 2001 jedes Jahr fleißig solche bunten Sterne. Über 60.000 sind in den Jahren schon entstanden.
Täglich in der Wandelhalle
Eine Geschichte über sich möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Ihr geht es nicht um sie als Person, ihr geht es nur um ihr Werk und die gute Tat, die dahinter steckt. „Ich bin nicht wichtig, die Sterne sind wichtig“, so Arnold. Ihre mit viel Liebe entstandenen Basteleien gibt sie gegen eine Spende ab. Dafür stand sie früher in der Adventszeit bis zu sieben Stunden täglich in der Wandelhalle. „Ich kann aber nicht mehr so lange stehen“, sagt die 90-Jährige. Heute sitzt sie jeden Abend eine Stunde an ihrem braunen Tischchen neben dem imposanten Christbaum und bringt ihre Sterne an den Mann.
Bereits 20 000 Euro an Spenden
Das Geld, das dabei zusammenkommt, spendet sie jedes Jahr für einen anderen guten Zweck. Und zwar komplett. „Das Material für die Sterne zahle ich selbst“, erklärt sie. In den vergangenen 15 Jahren sind so über 20 000 Euro zusammen gekommen. Ob für arme Kinder, die Musikschule oder den Rettungsdienst – das gesammelte Geld ist stets Kissinger Projekten zugute gekommen. „Ich tue alles für Bad Kissingen, weil ich den Ort und die Menschen liebe“, erklärt die Sternenfrau.
Nachdem sie mit 60 Jahren in den Ruhestand ging, zog Arnold vor 30 Jahren aus dem Westerwald nach Bad Kissingen. Die Stadt hatte sie während ihrer Kur kennen und lieben gelernt. „Bad Kissingen war ein Traum, es war alles so elegant und es kamen so viele Leute“, schwärmt sie von früher. Die gebürtige Duisburgerin ist heute längst eingefleischte Kissingerin. „Auch wenn man mir monatlich 1000 Euro zahlen würde, ich würde hier nie weggehen“, erklärt sie.
Weihnachtsdeko in der Wandelhalle
Vor allem die Wandelhalle ist für Arnold „eine Wucht“. Dass aber die Christbäume in „Europas größter und schönster Wandelhalle“, wie sie den Bau nennt, nur mit Lichtern geschmückt waren, fand sie enttäuschend: „Das passte für mich nicht.“ Also hat sie sich an Hubertus Wehner, den früheren Chef der Kurgärtnerei gewandt und kurzerhand selbst für die passende Weihnachtsdeko gesorgt. Seit 2001 hängen nun an den Christbäumen in der Wandelhalle ihre Sterne. „Welche Kurstadt ist schon mit handgebasteltem Weihnachtsschmuck dekoriert?“ so Arnold über die ungewöhnliche Situation.
„Man hat als Bürger die Pflicht, sich für seine Stadt einzusetzen“, sagt sie. Über 7000 Euro, der Erlös ihrer ersten Spendenaktion, kamen damals dem Luitpoldbad zugute. „Davon wurden die Jugendstilfenster restauriert“, erzählt sie. Das Geld, das sie dieses Jahr durch die Abgabe ihrer Sterne sammeln wird, soll den Grundstock für ein Palliativzimmer legen. „Wir brauchen so eine Möglichkeit in Bad Kissingen unbedingt“, sagt die Sternenfrau.
Erfinder des Kindergartens
Dass die ehemalige Kindergärtnerin, die vor ihrer Rente drei Kindergärten geleitet hat, mit Begeisterung Fröbelsterne bastelt, ist nicht ohne Grund. „Friedrich Fröbel war der Erfinder des Kindergartens und ein fantastischer Mensch“, erklärt sie. „Als Kindergärtnerin musste man Fröbelsterne basteln können, sonst bekam man keine staatliche Anerkennung.“ Und ihre Basteleien schmücken nicht nur die Bäume in der Wandelhalle, auch die Kissinger Pflegeheime hat die Sternenfrau mit ihnen ausgestattet. „Damit sie immer weihnachtlich schmücken können“, sagt sie.
Auch in Australien
Auch ihre „Kunden“ sind regelmäßig begeistert. „Ich musste auch schon Sterne den Leuten bis nach Hamburg oder Berlin nachschicken“, erzählt sie. Und sogar in Australien gibt es original Fröbelsterne der Sternenfrau. Denn dort wohnt Arnolds Sohn, der sein Haus mit den Kunstwerken seiner Mutter festlich dekoriert hat. „Man kann mit den kleinen Dingen so viel Freude bereiten“, weiß die Sternenfrau.
Ob einfarbig oder bunt, groß oder klein, für die 90-Jährige ist das Basteln der Sterne mehr als ein Hobby. „Es ist eine Handwerkskunst und Fingerfertigkeit, die gefördert werden muss“, sagt sie. Und damit es weiterhin Fröbelsterne gibt, gibt sie die Technik an Interessierte weiter. „Das waren bisher nicht wenige. Die Menschen sind sehr schnell von den Sternen begeistert“, sagt sie.
Nach Weihnachten ist vor Weihnachten
Wenn Weihnachten vorbei ist und die ersten Sterne langsam wieder abgehängt werden, beginnt für Annemarie Arnold die Saison aufs Neue: „Ich fange schon vor Neujahr wieder an die Sterne für das nächste Jahr zu basteln.“ Dafür sitzt sie dann auch einmal mitten im Sommer im Kurgarten auf der Parkbank und bastelt Weihnachtsschmuck.
Ihren Kindern hat sie versprochen, dass sie heuer zum letzten Mal mit ihren Sternen in der Wandelhalle sitzt. „Sie halten mich schon für verrückt“, erklärt die 90-Jährige lachend. Sie hofft darauf, dass andere ihre Arbeit übernehmen und weiterführen werden. „Aber ich weiß, dass ich nicht aufhören kann“, so Arnold. Denn was wäre eine Sternenfrau ohne ihre Sterne?
Die Fröbelsterne der Sternenfrau gibt es gegen eine Spende im Sanitätshaus reh in tec Weber, Bachstraße 7, oder bei Annemarie Arnold Montag bis Samstag von 17-18 Uhr in der Wandelhalle (letzter Tag ist der 15.12.).