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Abschied vom goldenen Handwerk

Hammelburg

Abschied vom goldenen Handwerk

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    Mit ruhiger Hand arbeitet Claus Weindel in seiner Werkstatt.
    Mit ruhiger Hand arbeitet Claus Weindel in seiner Werkstatt. Foto: Foto: Katja Glatzer

    Die lauten Hammerschläge in der Goldschmiede von Claus Weindel am Viehmarkt werden bald für immer verstummen. Der 67-Jährige schließt Ende August Werkstatt und Laden. Ruhestand ist angesagt. Viele kunstvolle Kelche und Schalen hat er mit festen Schlägen in Form gebracht.

    Doch das Schaffen des Meisters ist viel komplexer, seine Kreativität scheint ungebrochen. Rund um die hölzerne Werkbank scheint die Zeit ein bisschen stehen zu bleiben. Von Hektik keine Spur, wenn Weindel unter den Klängen klassischer Musik geduldig an einem Werkstück feilt.

    Manchmal durchzieht ein besonderer Geruch den Raum. Mit Fischleim, Kupferoxid und glühender Holzkohle schweißt er nach mittelalterlichem Vorbild edle Materialen zu neuen Kompositionen. Weindels Schaffen ist so umfassend, wie seine Bibliothek aus Bildbänden mit den Meisterstücken großer Vorbilder.

    Mit zahlreichen Eigenkreationen hat sich Weindel beim aufgeschlossenen Gestalten einen Namen gemacht. Bei aller Pflege der Tradition ging er gerne mit der Zeit. Die Anschaffung eines Lasers zum Punktschweißen 1997 erleichterten fortan Reparaturen. Für den Kaufpreis hätte es auch einen Mittelklassewagen gegeben.

    „Die Vielseitigkeit macht es“, schwärmt Weindel von seinem Beruf. Die Freiheit sei es, die das Schaffen beflügelt. Weindel nutzt sie ausgiebig, hat schon viele Kunden überrascht. Nicht selten greift er ein Motto auf, eine Leidenschaft oder den Beruf des Auftraggebers, der in manch glänzendem Kleinod seinen Widerhall findet. Ob der vergoldete Kegel eines Vermessers auf einem gesägten Pflasterstein, ein Feuerzeug mit Logo einer Motorradmarke, oder die Darstellung keltischer Malerei auf einem Armreif: Weindel nimmt beim Verbinden der unterschiedlichsten Materialien gerne Herausforderungen an. Etwa auch, als er in einen Priesterkelch einen Knoten aus einem 40 Jahre alten Rebstock einarbeitete.

    Schlagzeilen schrieb er mit der Rekonstruktion des Ebracher Abtsstabes aus dem 17. Jahrhundert. Das Original hatte König Gustav von Schweden mit nach Stockholm genommen. Diplomatischer Anstrengungen bedurfte es, bis Weindel das Original in Stockholm vermessen durfte.

    Den Grundstein für sein Wissen legte Weindel mit seiner Lehre Mitte der 1960er Jahre im Kloster Münsterschwarzach. Als Jugendlicher begeisterte er sich bei einem Praktikum in den Ferien für die Gestaltung mit Gold, Silber und Edelsteinen. Erfahrung sammelte er auch als Fasser von Edelsteinen und Graveur. In dem geistlichen Umfeld lernte Weindel Techniken, die heute in Vergessenheit geraten sind. Das erste Werk des damals 17-Jährigen war eine Tabernakeltür in der Hammelburger Stadtpfarrkirche.

    Anfang der 1970 Jahre studierte Weindel in Schwäbisch Gmünd Schmuckdesign, wobei ihn die sakrale Kunst nie los ließ. Ein Jahr arbeitete er als Kirchengoldschmied im Benediktinerkloster von Jerusalem. Dort fertigte er als Kirchengoldschmied Leuchter und Kelche unter anderem aus einer im Unabhängigkeitskrieg zerschossenen Klosterglocke.

    In der Freizeit begleitete Weindel Ausgrabungen in Nablus. Über die dort geknüpften Kontakte kam er an das Rockefeller-Museum, wo er dann zwei Jahre lang als Restaurator wirkte. Der Nahe Osten begeisterte den Goldschmied so sehr, dass er 1986 und 1989 je drei Monate an Ausgrabungen am Palast des Herodes in Jordanien teilnahm.

    Seine erste Werkstatt in Hammelburg eröffnete Weindel 1981 im Haus des Großvaters, der früheren Sattlerei Emmert (heute Kneipe am Viehmarkt). Den aktuellen Laden bezog er 1994, wobei Außen- und Schaufenstergestaltung stets einen Blickfang boten.

    Verewigt hat sich Weindel auch im öffentlichen Raum. Ob goldene Schrift an der Raiffeisenbank am Marktplatz oder Werbeausleger am Landgasthof in Wartmannsroth: Weindel hat mit großen und kleinen Werken Kunden von München über Karlsruhe bis in den Frankfurter Raum erfreut. Den Hammelburger Spitzbecher, aus dem die Weinkönigin beim Weinfest trinkt, gestaltete er genauso wie deren Krone. Pfiff verlieh er dem Wettbewerb Schöneres Saaletal mit der Gestaltung des goldenen Wengertsstockes. der für touristische Verdienste als Trophäe vergeben wird. Die Bürgermeister von Staffelstein und Werneck schmücken sich bei offiziellen Anlässen mit Ketten aus dem Hause Weindel.

    Seit sich die bevorstehende Schließung Ende August herumgesprochen hat, kommen viele Kunden, um sich mit ein bisschen Wehmut zu verabschieden. Mit der Werkstatt verabschiedet sich erneut ein Stück traditionelles Handwerk aus der Saalestadt, für das sich kein Ersatz abzeichnet.

    Für den Ruhestand hat sich Weindel erst mal nicht viel vorgenommen. Von Montag bis Samstag hat er die meiste Zeit seines Lebens in der Werkstatt verbracht, manchmal dort schon ab sechs Uhr früh die Ruhe gefunden, um mit ruhiger Hand seinen Gestaltungskünsten nachzugehen. Jetzt will er sich rund ums Haus um die Sachen kümmern, die über die Jahre liegen geblieben sind. Und dabei wohl auch das Archiv mit den Bildern seiner Kunstwerke pflegen. Es hat sich zu einer atemberaubenden Sammlung von ganz eigenem Wert gemausert.

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