Hammelburg (wb) Beim Hammelburger Geschichtskreis setzte Altbürgermeister Karl Fell seine Vortragsreihe über ehemalige Bürgermeister der Stadt fort. Für seinen Vortrag hatte er den ersten Nachkriegsbürgermeister Adam Marterstock ausgewählt.
Der Schlossermeister und Stadtrat für die Freien Wähler wurde Anfang April 1945 von der amerikanischen Militärregierung als Stadtoberhaupt eingesetzt. Auf ihn warteten große Aufgaben. In der Stadt war der Schutt durch Fliegerbomben und Artilleriebeschuss wegzuräumen, beschädigte Häuser und Straßen mussten instandgesetzt und eine neue Verwaltung aufgebaut werden.
Bürgermeister und Stadtrat waren allerdings nicht souverän, alle Stadtratssitzungen mussten der Militärbehörde gemeldet werden. Bei jeder Sitzung war ein amerikanischer Aufpasser in der Runde dabei. Marterstock rief bewährte Mitarbeiter in den Rat und teilte ihnen verschiedene Aufgabengebiete zu. Am 22. April 1945 hatte Stadtpfarrer Mahr zu einem Dankgottesdienst für die Befreiung von der Diktatur des Nationalsozialismus eingeladen, an dem der Stadtrat im Chor der Kirche vollzählig teilnahm. Die Zusammenarbeit mit der Militärbehörde ließ sich gut an und war von gegenseitigem Vertrauen getragen.
Zügiger Wiederaufbau
Alle Männer im Alter von 16 bis 65 Jahren mussten sich am Wegräumen des Schutts beteiligen. Architekt Hans Ruser, Kreisbaumeister Fleckenstein und die Maurermeister Dornbusch und Keidel sorgten für einen zügigen Wiederaufbau der Stadt. Aus Wehrmachtsbeständen wurde Zement und Glas beschafft.
Den vielen Wohnungssuchenden musste geholfen werden, besonders den vielen wohnhaft gewordenen Kriegsevakuierten. Zusätzlich musste für vier Wochen 200 amerikanischen Polizeisoldaten Quartiere zur Verfügung gestellt werden. Anfang 1946 wurde ein Kreiswohnungsamt gebildet, um den Strom der Flüchtlinge zu regeln. Die Einwohnerzahl der Stadt stieg von 3200 im Jahr 1939 sprunghaft auf 5600.
Auch in der Landwirtschaft waren Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Gespanne fehlten, Pferde des ehemaligen Militärs wurden eingefangen, Futterbestände der Wehrmacht übernommen. Brennholz durfte aus dem Stadtwald geholt werden. Kohle und Brikett aus Wehrmachtsbeständen erhielten bevorzugt die fünf Bäckereien der Stadt. Das Ehrenbürgerrecht von Adolf Hitler wurde in der Sitzung vom 5. Mai 1945 aberkannt. Straßenumbenennungen folgten. Aus der Adolf-Hitler-Straße wurde die Bahnhofstraße, die Hindenburgstraße wurde Kissinger Straße und die Horst-Wessel-Straße in Dalbergstraße, die Von-Epp-Straße in Rote-Kreuz-Straße und die Dr. Hellmuth-Straße in Johannes-Martin-Siedlung umbenannt. Es folgte die Entnazifizierung. Funktionäre der NSDAP hatte man verhaftet und im Lager interniert. Die Militärregierung hatte die öffentlichen Gebäude wie Amtsgericht, Post und Bahnhof besetzt.
Häuser beschlagnahmt
Auch eine Reihe von Privathäusern wurde bis nach 1947 beschlagnahmt. Die Schulen wurden erst am 1. Oktober 1945 wieder geöffnet. Zum Landrat wurde Dr. Josef Peter Jörg berufen. Er war vorher im Rheinland bereits Landrat, bis Kriegsende an der Universität Würzburg und hatte zuletzt in Hammelburg bei Verwandten Zuflucht gefunden. Zum Amtsarzt und Leiter des Gesundheitsamtes wurde Dr. Gustav Hippler berufen, Leiter des Amtsgerichtes wurde Dr. Roth, Schulrat Richard Galmbacher, Polizeichef Alois Wengel und Leiter des Flüchtlingsamtes Dr. Haus.
Bürgermeister Adam Marterstock verstarb am 18. Januar 1946 in seinem Amtszimmer.