(win) Ist Rost ästhetisch? Das kommt auf die Sichtweise an. Betrachtet durch das Makro-Objektiv einer Kompaktkamera, kann der Stahl und Eisen zerstörende Schädling durchaus reizvolle, sogar bezaubernde Ansichten vermitteln, die der erstaunte, mit etwas Fantasie ausgestattete Beobachter völlig anders interpretiert.
Günther Uttecht aus Eschborn nutzt die moderne Fototechnik, um Miniatur-Welten aus völlig banalen Dingen des täglichen Lebens zu zaubern. Müllcontainer, Gerüste und Eisenkonstruktionen aller Art sind das Betätigungsfeld, in das er eintaucht – besonders gerne, wenn Rost im Spiel ist.
Der ehemalige Stadtplaner und Manager eines Industrieunternehmens ist auf einem Nebengleis der Korrosion auf die Spur gekommen, die er mit Kamera einfängt. In Gemeinschafts- und Einzelausstellungen erhielt er die Bestätigung, dass die von ihm fotografierten Objekte durchaus ihre Liebhaber finden.
Zum Beispiel die Hammelburgerin Heike Schaupp, Besitzerin von „Heikes Blumenladen“ am Viehmarkt, die am Freitag eine Ausstellung in ihren Räumen mit Werken des Fotokünstlers eröffnete. Wie passt dies zusammen: Lebendige Natur und sattes Grün, blühende Pflanzen und der morbide Reiz der Zerstörung?
„Beides ist natürlich und beides ist vergänglich“, argumentiert die heimische Floristin, die ohnehin ein Faible für Rost im Garten hat. Fotograf Uttecht hat sie auf einer der vielen, von ihr beschickten Gartenausstellungen kennengelernt und dessen Galerie besucht, was zur „rostigen Liebe“ auf den ersten Blick führte. Sie lud den Künstler ein, seine Werke in ihren Geschäftsräumen auszustellen.
Hier sind ab sofort diese fotooptischen Rätsel bis einschließlich 20. Juni, dem verkaufsoffenen Sonntag, zu den üblichen Geschäftszeiten zu bewundern.
Dem Betrachter bieten sich Bilder einer Mondlandschaft, die aus 20 000 Kilometer aufgenommen wurde. Ein violett-schwarzes Gebilde mit einem hellen Streifen, der das Foto „durchtrennt“. Etwa eine Aufnahme der Milchstraße? Aber nein, alles ist nur Rost.
Auch das weiß-orange-dunkle Gemisch eines vermeintlich Gischt sprühenden Wasserfalls. Und das gelbe Quadrat auf dem dunkelroten Hintergrund, von einem schwarzen Kratzer tangiert, ist eigentlich der Punkt einer e-mail-Adresse auf einem Abfallcontainer.
Illusionen im (Über)-Großformat
Von den Illusionen im (Über)-Großformat hat Uttecht eine kleine Auswahl in die Saalestadt gebracht, eine Möglichkeit für ihn, der Großstadt Frankfurt einmal zu entfliehen, wie er einräumt. Ein Blick in sein Schaffen lohnt sich schon deshalb, weil er ungewöhnliche Mikro-Horizonte eröffnet, die der eigenen Interpretation breit gefächerten Spielraum und dem Floristikgeschäft einen ganz besonderen Touch einhaucht.