Seit 21 Jahren ist Dieter Blum Kantor in Hammelburg und hat neben dem Orgelspiel im Gottesdienst viele weitere Aufgaben. So leitet er zum Beispiel die Aufführung der anspruchsvollen Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach am 9. März in der Stadtpfarrkirche Sankt Johannes. Im Interview sprach er über die letzten Stunden vor der Aufführung, was ihm zum Stichwort luxuriöse Hochzeits-Suite einfällt, warum er nicht Konzertorganist werden will und wie Gott ihm gelegentlich beim Komponieren hilft.
Herr Blum, was ist der Reiz des Kantor-Berufs?
Dieter Blum: Die Vielseitigkeit und dass man musikalisch sein eigener Herr ist und seinen Vorlieben frönen kann. Bei mir sind das die Wiener Klassiker, die Haydn-Mozart-Ära. Außerdem erfüllt mich das liturgische Orgelspiel mit Freude. Und natürlich der Umgang mit Menschen im Kirchen- und Kinderchor oder mit meinen Orgelschülern.
Sie sind in Obereschenbach aufgewachsen. Wollten Sie schon immer in der Region bleiben?
Blum: Nicht unbedingt. Doch gerade als mein Studium zu Ende ging, war hier in Hammelburg die Stelle des Kantors vakant. Zusätzlich wurde die Klaisorgel neu gebaut, und das reizte mich sehr. Außerdem lag ich mit dem damaligen Stadtpfarrer Josef Treutlein musikalisch auf einer Wellenlänge.
Wie entdeckten Sie denn Ihre Musikalität?
Blum: Eigentlich war es meine Akkordeonlehrerin Elfriede Schmitt. Sie erkannte mein Talent und meinen Übungsfleiß. Sie gab den Anstoß, meine Musikalität zu fördern. Dann kam die Liebe zum Waldhorn hinzu, die ich während meines Pflichtwehrdiensts beim Veitshöchheimer Heeresmusikkorps voll ausleben konnte.
Wo haben Sie das Waldhornspielen gelernt?
Blum: Ich kam vom Es-Horn, das lernte ich als Bub bei den Obereschenbacher Musikanten. Ursprünglich wollte ich ja nur Waldhorn studieren, musste aber wegen Ansatzproblemen das Studium erst einmal abbrechen. Deshalb studierte ich Kirchenmusik.
Am 9. März führen Sie mit 60 Chorsängern, Solisten und Orchester Bachs Johannes-Passion auf. Wie verbringen Sie die letzten Stunden vor dem Konzert?
Blum: Am Samstagmorgen ist Solistenprobe, nach dem Mittagessen die letzte Tutti-Probe mit Chor und Orchester. Um 16.30 Uhr ist Schluss und ich versuche zu Hause etwas zu entspannen. Ich lege mich hin, innerlich spiele ich nochmals die Tempi und Übergänge durch. So ein Konzert ist ein physischer und psychischer Kraftakt. Eine halbe Stunde vor der Aufführung ist Einsingen, und dann geht's los.
Was empfinden Sie beim Konzert? Wie wichtig ist für Sie der Applaus des Publikums?
Blum: Der Augenblick zählt in der Musik. Jetzt muss es gelingen, Chor, Solisten und Orchester zusammenzuführen. Wenn der letzte Akkord verklungen ist, bin ich erleichtert und erfüllt. Natürlich freue ich mich, wenn es den Zuhörern gefallen hat und sie uns applaudieren.
Und danach?
Blum: Ist es ganz wichtig, dass alle Mitwirkenden nochmals beieinander sitzen. Wir essen und trinken einen Schoppen gemeinsam. Die Anspannung fällt dann weg und wir verarbeiten quasi das Konzert im Gespräch miteinander.
Sie spielen tags drauf selbst die Orgel im Sonntagsmorgengottesdienst? Ist Ihnen das nicht zu viel Musik?
Blum: Nein, Musik wird mir nie zu viel. Mein Orgeldienst geht auch nach so einem großen Konzert ganz normal weiter.
Hört man Hochzeits-Suite, denkt man an luxuriöse Hotelzimmer. An was denken Sie?
Blum (lacht): Natürlich an meine Frau Gabriele. Ich habe ihr eine viersätzige Hochzeits-Suite komponiert, vor drei Jahren zu unserer Hochzeitsmesse. Sie ist im galanten Stil der Wiener Klassiker gehalten, das ist musikalisch übrigens eine totale Rarität. Solche Werke gibt es normalerweise nicht für die Orgel.
Wusste Ihre Frau vor der kirchlichen Trauung davon?
Blum: Es war als Überraschung geplant. Doch sie hat es geahnt. Da lagen mal Noten herum.
In welcher Tonart haben Sie die Suite geschrieben?
Blum: In D-Dur, das ist eine helle, strahlende Tonart.
Erklangen alle vier Sätze bei der Trauungsmesse?
Blum: Nein, nur das Präludium zum Einzug. Später habe ich sie ihr einmal ganz vorgespielt. Sie saß alleine in der Kirche und hat es sehr genossen. Bei unserer Trauung spielte übrigens mein hochverehrter Professor Norbert Düchtel die Orgel.
Ist das jener renommierte Würzburger Konzertorganist und Orgelprofessor, der Sie schon mit den Worten „Meister, dich habe ich heute früh auch schon gespielt“ begrüßt hat?
Blum (fast ein wenig verlegen): Ach, woher wissen Sie denn das? Ja, er schätzt meine Orgelkompositionen und ich verehre ihn und sein Orgelspiel.
Stimmt es, dass Sie schon in Wien eingeladen waren, ein Orgelimprovisationskonzert zu geben?
Blum (fast ein wenig unwirsch): Woher wissen Sie denn jetzt das schon wieder? Ja, war ich, aber dafür habe ich keine Zeit.
Sie hätten das Talent zum Konzertorganisten. Ist Ihnen Hammelburg da nicht manchmal eine Nummer zu klein?
Blum: Ich liebe meine Berufung zum Organisten. Hier kann ich meine Talente einbringen. Wissen Sie, man kann das Orgelspielen nicht vom Glauben trennen. Ich spiele nicht einfach so ein bisschen Orgel im Gottesdienst, sondern zu Ehren Gottes. Was dem Priester das Gebet, ist mir die Musik, um die frohe Botschaft Gottes weiterzugeben.
Was war das letzte, größere Konzert, das sie besucht haben?
Blum (Er kommt ins Grübeln): Ich glaube vor drei Jahren die Johannes-Passion in der Schweinfurter Kilianskirche. Halt, stopp, nein. Beeindruckend war das Hornkonzert meines großen Vorbilds Radovan Vlatkovic mit dem Brückenauer Kammerorchester im Frühjahr vor zwei Jahren. Wissen Sie, wenn man den ganzen Tag Musik macht oder hört, dann ist man abends schon mal platt. Auch überschneiden sich oft Konzerttermine mit Organistendiensten oder Chorproben. Wir leiden auch an einem Organistenmangel. Ersatz ist schwer zu finden.
Aber Sie haben doch auch elf Orgelschüler?
Blum: Einen Hauptgottesdienst können meine Schüler noch nicht spielen. Und wenn sie richtig gut sind, gehen viele dann zum Studieren weg.
Üben Sie selbst auch noch viel?
Blum: Ich versuche, täglich mindestens eine Stunde an der Orgel zu üben.
Sie tauchen nicht nur gerne in Klangwelten ein, Sie schwimmen auch gerne und haben in den letzten drei Jahren ziemlich viel abgenommen. Wie kam das?
Blum: Ich hatte extremen Bluthochdruck. Deshalb habe ich meine Ernährung und meine Lebensgewohnheiten komplett umgestellt. Jetzt laufe ich, wann immer es geht, zu Fuß und gehe zudem viel schwimmen. Das habe ich schon immer gerne gemacht. Ich bin auch immer noch Mitglied beim Würzburger SV 05. Das ist mir aus meiner Studienzeit geblieben.
Wie viel Kilos haben Sie denn abgenommen?
Blum: Das weiß ich nicht. Ich wiege mich nicht. Ich habe aber jetzt drei Kleidergrößen weniger und keine Blutdruckprobleme mehr.
Beliebt ist Ihre kleine Konzertreihe in der Bürgerspitalkirche „Kammermusik bei Kerzenschein“ mit unterschiedlichen Solisten. Was nehmen die Zuhörer mit in den Alltag?
Blum: Die Bürgerspitalkirche ist klein, intim und akustisch durchhörbar. Da entsteht schnell eine meditative Atmosphäre, die Musik kann nachklingen, beseelen und beruhigen.
Sie komponieren viel. Spielt Gott dabei auch eine Rolle?
Blum (Er überlegt kurz und lächelt fast schelmisch): Manchmal habe ich einen musikalischen Gedanken, komponiere und auf einmal hänge ich. Dann spreche ich ein Gebet oder sage auch mal zu Gott: 'Jetzt bist du an der Reihe.' Er hat mich bisher noch nie im Stich gelassen.
Information: Am Samstag, 9. März, um 19 Uhr wird Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion mit Solisten, Chor und Orchester unter der Leitung von Kantor Dieter Blum in der Stadtpfarrkirche Sankt Johannes in Hammelburg aufgeführt. Karten gibt es im Vorverkauf in den Hammelburger Buchhandlungen Endres, Müller und Bunter Buchladen sowie in der Tourist-Information und im Pfarrbüro.
Dieter Blum
Dieter Blum ist Jahrgang 1964. Er studierte Kirchenmusik in Regensburg von 1987 bis 1990 und schloss als Staatlich anerkannter Kirchenmusiker und Erzieher ab. 1990 nahm er das Hornstudium bei Professor Gottfried Langenstein nach dem Kirchenmusikstudium wieder auf und und schloss es als Diplommusiker 1990 an der Würzburger Musikhochschule ab. Ab 1990 übernahm er die Leitung des Kirchenchors und den sonntäglichen Organistendienst in Hammelburg. Seit 1992 ist Blum hauptamtlicher Kantor. Er hat zwölf Orgelbände mit Choralbearbeitungen zu Gotteslobliedern herausgebracht sowie eine viersätzige Hochzeits-Suite und weitere Einzelwerke komponiert. Außerdem betreut er ein jährliches Orgelseminar an der Musikakademie.
as