In wenigen Wochen wird dann nichts mehr übrig sein von dem mächtigen Silo-Gebäude, das jahrzehntelang die Silhouette von Münnerstadt mitgeprägt hat. Bis Weihnachten soll auf dem ehemaligen Bahngelände, auf dem die Betriebsgebäude der BayWa jetzt noch stehen, ein Plus-Markt gebaut werden.
Ein wenig Wehmut liegt schon über dem ausladenden Komplex, leere Regale im Geschäft künden von der Endzeitstimmung. „Das tut schon weh, aber so ist nun mal der Lauf der Zeit“, stellt Horst Schäfer fest, der in Oberthulba wohnt und seit 17 Jahren in Münnerstadt die Kunden betreut. Der 57-Jährige Betriebsleiter und sein Mitarbeiter Helmut Nöth aus Münnerstadt werden nach der Schließung in Bad Neustadt neue Arbeitsplätze erhalten. Der Landmaschinen-Mechaniker und Silo-Meister ist seit 35 Jahren bei der BayWa in Mürscht beschäftigt, die hier 75 Jahre ansässig ist. Ihm tut es besonders um die rund 40 Stammkunden leid. Die werden ihr Getreide künftig nach Ebenhausen oder Bad Neustadt transportieren oder zu einem privaten Anbieter wechseln. Wo der 50-Jährige in Bad Neustadt eingesetzt wird, weiß er nicht. „Irgendetwas mit Agrar“.
„Normalerweise müsste man ein Kreuz aufstellen“
Landwirt Thomas Hein zum Abriss der BayWa-Gebäude
Im Silo-Gebäude geht die Arbeit unbeeinflusst vom nahen Ende ihren routinierten Gang. Bauern liefern ihr Getreide an, da ist es für Nöth selbstverständlich, bis tief in die Nacht zu bleiben, um die Ernte entgegenzunehmen. Gelagert wird natürlich nichts mehr, das angelieferte Korn wird so schnell wie möglich abtransportiert.
Eine seiner letzten Fuhren Getreide hat Thomas Hein aus Nüdlingen zur BayWa gebracht. Der Vollerwerbs-Landwirt aus Nüdlingen bewirtschaftet 210 Hektar und kommt seit 25 Jahren. Jetzt wird er sich eine eigene Halle zur Lagerung des Getreides bauen. Das habe er sowieso vorgehabt, räumt er ein, die Schließung der Betriebsstelle in Münnerstadt hat die Entscheidung allerdings beschleunigt. Ein „komisches Gefühl“ sei das aber schon, sagt Hein, wenn er daran denkt, dass jetzt hier bald alles zu Ende sein wird.
Schlange stehen
„Normalerweise müsste man ein Kreuz aufstellen“, sagt er und schwärmt von dem Super-Verhältnis zu den Arbeitern vor Ort. Noch gut kann er sich an Zeiten erinnern, als sich zur Erntezeit Schlangen von Traktoren auf dem Gelände bildeten. Da ging es oft die ganze Nacht. „Einmal bin ich hier um 5.30 Uhr vom Hof gefahren“, lobt er den besonderen Service, der hier geboten wurde. Schlange stehen müssen die Bauern schon lange nicht mehr, um ihr Getreide abzuliefern. Was aber nicht daran liegt, dass weniger geerntet wird als früher, wohl aber daran, dass es weniger Bauern gibt.
Betroffen macht vor allem, dass das Ende relativ schnell gekommen ist. Kaum ein Dreivierteljahr liegen zwischen den ersten Anfragen bei der Stadt Münnerstadt um Baugenehmigung und dem Abriss, der in gut 14 Tagen beginnt. Der Grund: Die Bahn wollte ihr gesamtes, 7800 Quadratmeter großes Gelände verkaufen. Den Zuschlag erhielt der Investor Helmut Stetter aus Memmingen. Gar kein Verständnis, dass „hier alles kaputt gemacht wird“ hat Richard Katzenberger aus Burglauer. Seit 40 Jahren holt sich der 75-Jährige bei der BayWa in Münnerstadt alles, „was ein Kleingärtner“ so braucht, wie er sagt. Dünger, Hundefutter und Futtermais für die Tiere im Wald – denn Katzenberger ist auch Jäger. Er wird die BayWa und die vertrauten Gesichter vermissen – und damit ist er nicht allein.