Bad Kissingen (svd) Nach der Oktoberrevolution 1917 spalteten sich die russisch-orthodoxen Kirchengemeinden im Ausland von ihrer Mutterkirche in Russland ab und bestehen seitdem in vier verschiedenen selbstständigen Glaubensgemeinschaften, in Deutschland unter anderem die "Russisch-Orthodoxe Kirche im Ausland" als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Bistum in Berlin.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland zusätzlich zur Auslandskirche neue Gemeinden der russischen Mutterkirche gegründet, zunächst ab 1945 in der Sowjetzone (DDR), ab 1960 auch im Bundesgebiet. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Niedergang des Kommunismus (1990) gründete umgekehrt die Auslandskirche auch Gemeinden in Russland. So bestehen heute in Russland wie in Deutschland beide Kirchen nebeneinander.
Seit fünf Jahren gibt es offizielle Kontakte beider Seiten mit dem Ziel einer Annäherung. Erst vor wenigen Tagen sprachen sich 124 von 129 Delegierten auf einem Konzil der Auslandskirche in San Francisco für eine Aussöhnung beider Kirchen aus. Eine Wiedervereinigung war noch nicht Inhalt dieser Beratungen.
Die russisch-orthodoxe Kirche bemüht sich hierzulande um stärkere Anerkennung. An staatlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen wird bereits orthodoxer Religionsunterricht in deutscher Sprache gegeben. Hier mangelt es nicht an Schülern, sondern an deutschsprachigen orthodoxen Religionslehrern.
Der russisch-orthodoxen Kirche (Auslandskirche und Mutterkirche) gehörten 1985 in der Bundesrepublik 10 000 Gläubige an. In der DDR war die Zahl noch unbedeutender. Zehn Jahre später hatte sich, bedingt durch Aussiedler und Kontingentflüchtlinge, die Zahl der Gläubigen im vereinten Deutschland auf 100 000 erhöht und seitdem etwa verdoppelt. Mit jetzt 200 000 Gläubigen sind der russisch-orthodoxen Kirche 0,3 Prozent der Mitgliederzahl aller Glaubensgemeinschaften in Deutschland aus. Zum Vergleich: Katholische und evangelische Kirche jeweils 46 Prozent aller Gläubigen, Moslems 5,8 Prozent, übrige orthodoxe Kirchen 1,7 Prozent sowie 0,2 Prozent gläubige Juden.
Die Russisch-Orthodoxen in Deutschland feiern ihre Gottesdienste inzwischen in über 100 Gemeinden. Die größte ist in Berlin mit 15 000 Gläubigen.
Historische Kirchenhäuser stehen heute in den bekanntesten deutschen Kurorten, in denen zu Zeiten des Zarenreichs russische Gäste ihre Sommerfrische verlebten, und ehemaligen Residenzstädten, in denen damals russische Botschaften unterhalten wurden: Bad Ems, Bad Homburg, Bad Kissingen, Baden-Baden, Berlin (2), Darmstadt, Dresden, Leipzig, Potsdam, Stuttgart (2), Weimar und Wiesbaden. Nach historischem Vorbild neu gebaut wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Kirchen in Gifhorn, Hamburg, Hausen bei Frankfurt/Main und München.