Misserfolge, kein Berufsziel, Schulfrust. Die Schüler sind unzufrieden, die Eltern unglücklich. Probleme und Streit sind oft die Folge. Wie soll es weitergehen? Eine Lösung bietet die Anton-Kliegl-Schule in Bad Kissingen: die einzige Praxisklasse (P-Klasse) im Landkreis.
Ein praxisorientierter Stundenplan und eine individuelle Förderung eröffnen Schülern neue Perspektiven. Viele Jugendliche der Praxisklasse verlassen die Schule doch noch mit Abschluss und Ausbildungsstelle.
Kleinere Klasse
Das Erfolgsrezept: die Klassenstärke ist kleiner als in Regelklassen, derzeit sind es 13 Schüler. Neben ihrem Klassenlehrer André Prechtl haben die Jugendlichen eine weitere Bezugsperson, die Sozialpädagogin Cornelia Breunig. Der Klassenlehrer erzählt, er habe mehr Zeit für jeden einzelnen Schüler, könne den Unterrichtsinhalt ausführlicher erklären. Auftretende Konflikte könne sie außerhalb des Klassenzimmers lösen, sagt die Sozialpädagogin. Sie unterstützte die Jugendlichen beispielsweise auch bei Bewerbungen, sie kenne die Schüler und ihre Stärken.
Ein weiterer Unterschied zu Regelklassen ist der Stundenplan. Praxisklässer haben mehr Praktika. Die Möglichkeit, Berufe kennenzulernen, spiele für die Schüler eine zentrale Rolle, erklärt André Prechtl. Oft hätten die Jugendlichen Misserfolge einstecken müssen, ihr Selbstvertrauen sei geschwächt. Die beiden Bezugspersonen versuchen „eine passgenaue Praktikumsstelle für den richtigen Schüler, im richtigen Betrieb, mit dem richtigen Chef zu finden“, erklärt Cornelia Breunig. Erfolgserlebnisse im Praktikum würden die Motivation und das Selbstbewusstsein der Jugendlichen wieder steigern. So wachse die Chance auf eine Ausbildungsstelle.
Die Schülerin Laura Tschepisur wird ab Herbst den Beruf der medizinischen Fachangestellten erlernen. „Ich weiß nicht, ob ich das ohne meinen Besuch in der Praxisklasse geschafft hätte,“ so die 15-Jährige. Während ihrer zwei Jahre in der P-Klasse konnte sie ihre Noten deutlich verbessern.
Auch ihrer Mitschülerin Schreiffer Halbig wird der Berufswunsch erfüllt. Sie hat eine Ausbildungsstelle zur Altenpflegerin: „Ich bin stolz darauf, dass ich das geschafft habe.“ Eigentlich wäre die 17-Jährige mit der Schule fertig, sie besucht die Praxisklasse ein Jahr freiwillig um ihren Hauptschulabschluss zu schaffen.
Zusage für eine Ausbildung
Ihrem Klassenkameraden, René Lochner, konnten André Prechtl und Cornelia Breunig auch helfen. Sie haben ihn während seiner zwei Jahre in der Praxisklasse bei der Berufsfindung und der Suche nach einer Praktikumsstelle unterstützt. Der 15-Jährige hat die Zusage für eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. „Das ist super, wenn wir Schüler zu einer Ausbildungsstelle verhelfen können, dafür sind wir da“, freut sich André Prechtl.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Praxisschüler sei, dass „André Prechtl und Cornelia Breunig an einem Strang ziehen“, erklärt der Rektor der Schule, Harald Bötsch. Das Team müsse passen. Für ihn sind die beiden, auch wegen der Geschlechtsaufteilung, eine „Idealbesetzung“.
Nicht allen Schülern der Praxisklasse könnten sie zu einer Ausbildungsstelle verhelfen, so André Prechtl. Seine Kollegin und er würden sich aber darum bemühen, den Jugendlichen Wege aufzuzeigen, wie es für sie weitergehen kann.
Diese individuelle Förderung macht der Europäische Sozialfonds möglich. Die Sozialpädagogin Cornelia Breunig wird darüber finanziert, ihr Arbeitgeber, die Gesellschaft zur beruflichen und sozialen Förderung und Integration Schweinfurt, bezieht finanzielle Zuschüsse aus dem Fonds. In die Praxisklasse können Jugendliche wechseln, die mindestens ins achte Jahr ihres Schulbesuchs kommen. Die Anmeldefrist für die kommende Praxisklasse der Anton-Kliegl-Mittelschule läuft noch bis Mitte April. Der Rektor erklärt: „Die Praxisklasse ist eine tolle Chance für Schüler, die kognitiv schwächer, dafür aber praktisch veranlagt sind.“
Weitere Informationen: Anton-Kliegl-Mittelschule, unter Tel. (0971) 785 49 10