Oftmals würden die Proteste und Willensbekundungen der Hausärzte auf höhere Honorarforderungen reduziert, bedauert Schlereth, der seine Praxis in Oberthulba hat. Doch das sei nur ein Aspekt. Es gehe auch um die Gewährleistung der freien Arztwahl, um weniger Bürokratie im Abrechnungssystem und um die Erhaltung einer wohnortnahen medizinischen Versorgung der Patienten.
Diese Dinge seien in Gefahr, erst recht, wenn der von der Politik gewollte Gesundheitsfonds eingeführt werde, so Schlereth im Gespräch mit der MAIN-POST. Der Fonds sei der Anlass gewesen, den Ausstieg aus der KV anzustreben, denn „damit kommt der totale Absturz“.
Freie Arztwahl flächendeckend
Geldknappheit, so Schlereth, sei da, deshalb werde eine Zentralisierung der medizinischen Betreuung angestrebt. Das führe zur Gründung so genannter Medizinischer Versorgungszentren (MVZ), bei denen die Ärzte angestellt seien. Oftmals gehörten die MVZ einem Klinikkonzern mit eigenen Krankenhäusern. Ärzte des MVZ hätten dann zuerst diese Kliniken zu füllen, so Schlereth, damit gehe die freie Arzt- und Krankenhauswahl verloren.
Außerdem gebe es diese MVZ künftig nur an zentralisierten Punkten, wie in Bad Kissingen – am Elisabeth-Krankenhaus (das dem Rhön-Klinikum gehört) und das KissMed von Dr. Andreas Bernhardt. Die Praxen der Hausärzte gerade im ländlichen Raum würden nach und nach geschlossen, da junge Ärzte nicht mehr nachfolgen, ihnen sei das Risiko einfach zu hoch sei, unterstreicht Schlereth. Erste Anzeichen gebe es: Niedergelassene Ärzte gaben in den vergangenen vier Jahren auf in Steinach, Wildflecken, Motten und Hammelburg.
Angemessenes Honorar
Die Hausärzte streben die Abschaffung des Punktesystems an, sagt Schlereth. Stattdessen wollen sie eine Pauschale pro Patient im Quartal. In Bayern stehe die Forderung von 75 Euro im Raum. Obgleich die Kassenärztliche Bundesvereinigung in Berlin 85 Euro als angemessene Patienten-Pauschale errechnet habe.
Seit etwa 20 Jahren würden sämtliche Leistungen der Ärzte bei Krankenkassen nach Punkten abgerechnet, unabhängig von der Krankheit. Diese Punkte, so Schlereth, kommen in einen Topf, aus ihrer Anzahl werde die Honorierung festgelegt. Jede Krankenkasse habe einen eigenen Topf. Fachärzte, die ebenfalls in der KV sind, haben laut Schlereth ein eigenes Abrechnungssystem.
Eine neue Form der Patientenbeeinflussung werde bereits von Krankenkassen praktiziert, verweist Schlereth auf eine Amerikanisierung des Gesundheitswesens. So hätten einige Kassen Call-Center eingerichtet, die Patienten anrufen, sie „ausfragen“ und Empfehlungen geben mit der Maßgabe, wenn der Hausarzt nicht folge, diesen dann zu wechseln. Bei Mitarbeitern des Call-Centers, so Schlereth, handle es sich offenbar nicht um Ärzte. Zudem sei es schon zu Verwechslungen bei Patienten gekommen.
Nach Ausstieg Weiterbehandlung
Ziel sei, dass 70 Prozent der Hausärzte ihren Austritt erklären, so Schlereth. Bisher seien es im Kreis Kissingen (mit 157 niedergelassenen Ärzten, davon etwa 80 Hausärzten) über 60 Prozent. Kitzingen liege bei über 95 Prozent, Haßberge bei über 90 Prozent. Termin sei der 30. Juni.
Der Arzt fülle eine Erklärung aus und schicke sie einem Notar in Kiel, erläutert Schlereth den Vorgang. Kiel deshalb, weil der erste Notar in Würzburg auf Druck der Politik sein Mandat zurückgezogen habe.
Wenn 70 Prozent erreicht seien, gebe es noch eine zentrale Veranstaltung. Erfolgt der Ausstieg aus der KV, seien die Ärzte aufgrund der Gesetzeslage noch ein Vierteljahr Mitglied in der Kassenärztlichen Vereinigung. In dieser Zeit wollen die Ärzte direkte Verhandlungen mit den Krankenkassen führen.
Patienten weiter versorgt
„Wir wollen die Patienten nicht alleine lassen“, beruhigt Schlereth. Im Falle eines Ausstiegs würden die Patienten genauso weiter behandelt. Dann jedoch stelle der Hausarzt eine Privatrechnung und schickt diese an die Krankenkasse. Schließlich sei der Patient versichert und zahle seine Beiträge, also müssen die Kassen bezahlen. Damit komme auf die Kassen eine enorme Verwaltungsflut zu, meint Schlereth.
Bis das Ziel erreicht sei, versuche man weitere Kollegen zu aktivieren, auch die älteren. Es herrsche Unsicherheit, zudem schürten Politik und KV Ängste bei den Hausärzten. Doch sie wollten sich auch von Drohungen, etwa dass die Hausärzte bei Ausstieg aus der KV durch ausländische Ärzte ersetzt würden, nicht einschüchtern lassen. „Wenn wir 65 bis 70 Prozent schaffen, dann wird hier draußen die Welt zusammenbrechen“, so Schlereth. Das könne auch das Rhön-Klinikum nicht auffangen.