Nicht nur Schüler, Eltern und Lehrer der Mittelschule diskutieren über den Schulabschluss-Streich vom 18. Juli. Auch in anderen Schulen des Kreises verfolge man aufmerksam, wie mit dem Geschehen in Nüdlingen umgegangen wird, sagt Schulrat Harald Bötsch auf Anfrage.
Zum Hintergrund: Streich-Beteiligte hätten sich im Zuge des Streichs auch Zugang zum Sekretariat und Rektorat verschafft und dort unter anderem die Computer in beiden Räumen entstöpselt. Weil in beiden Zimmern vertrauliche und sensible Daten gespeichert sind, sei die Polizei gerufen worden.
Laut Schulrat Harald Bötsch liegt die Verantwortung für den heftig kritisierten Streich bei den an diesem Tag beteiligten Eltern. Für Rektorin Ritta Helfrich ist inzwischen klar: „Wir werden Strafanzeige gegen einzelne stellen.“
Die Mutter eines Neuntklässlers habe ihm gesagt, dass die Schüler am Mittwoch einen Abschlussstreich planen und einen Schlüssel zu den Klassenzimmern bräuchten, erklärt Bürgermeister Harald Hofmann die Vorgeschichte. Angeblich sollten in den Klassenzimmern Stühle und Bänke aufgetürmt und mit rotem Absperrband umwickelt werden. Ja, er habe veranlasst, dass die Räume geöffnet wurden, so Hofmann weiter. „Die Eltern hatten gesagt, dass sie bei der Aktion dabei sind.“
Hausrecht bei der Schulleitung
Erst am Donnerstag, 19. Juli, habe er mitbekommen, dass bei diesem Streich auch das Rektorat mit einem Schlüssel geöffnet wurde, sagt Hofmann und findet: „Das Rektorat ist aber tabu. Dort einzudringen ist kein Spaß mehr.“ Er habe eingesehen, dass er mit der Schlüssel-Freigabe seine „Kompetenzen überschritten“ habe, sagt Hofmann. „Denn das Hausrecht hat die Schulleitung. Auch ein Bürgermeister muss im Leben oft noch was dazu lernen.“
14 Eltern der 16 Abschlussschülerinnen und -schüler hätten den Streich im Vorhinein mitgetragen, sagt Klassenelternsprecher Thomas Blaha im Gespräch mit der Redaktion. Am Mittwochabend seien dann jedoch nur zwei Elternteile, das heißt er und eine weitere Mutter, dabei gewesen. Blahas Angaben zufolge hätten die Jugendlichen, wie besprochen, das Mobiliar der Klassenzimmer ausgeräumt und in den Gängen aufgetürmt und umwickelt. Dann hätten sie auch das Rektorat mit einem Schlüssel aufgeschlossen und das Mobiliar dort umwickelt. Mehr sei nicht passiert, versichert Blaha.
Rektorin findet Durcheinander vor
Schulleiterin Ritta Helfrich schildert das, was sie am Donnerstag in der Aula, in den Gängen und einigen Klassenzimmern vorfand, als „Chaos“. Das Mobiliar sei in den Gängen kreuz und quer gestellt und teilweise umgestoßen worden. Nicht nur rotes Absperrband sei überall benutzt, sondern auch Toilettenpapier durch die Gänge gerollt worden. Im Rektorat seien die Stühle umgeworfen und Mobiliar mit rotem Band umwickelt worden. Zudem seien zwei Computer ausgestöpselt gewesen. „Und ich fand auf meinem Schreibtisch Gegenstände vor, die zuvor im Schrank standen.“ Daraus folgert Helfrich, dass die Schüler auch Schränke öffneten.
„Damit war für mich eine rote Linie überschritten“, sagt die Rektorin. Denn in einem Rektorat befänden sich stets sehr brisante Dokumente, wie zum Beispiel Personalbögen, vertrauliche Unterlagen von Schülern und Eltern, aber auch Unterrichtstests. „Man weiß ja nicht, ob da nicht jemand vielleicht sogar Unterlagen fotografiert hat.“ Für die Rektorin war klar, dass sie jetzt Polizei und Schulamt rufen muss. Die Polizei habe registriert, dass es ein „Streich“ sein sollte, habe aber auch von „Hausfriedensbruch“ gesprochen.
Schülerstreich oder Elternstreich?
„Für die Genehmigung eines Abschlussstreichs ist die Schulleitung zuständig. Ein Bürgermeister ist nicht berechtigt, einen Schulstreich zu genehmigen“, stellt Schulrat Bötsch klar. Er kritisiert, dass in Nüdlingen aus einem Schülerstreich ein „Elternstreich“ wurde. Dass die Eltern im Rektorat dabei standen, als die Schüler dort herum räumten, sei für ihn ein „No-Go“. Beim gemeinsamen Gespräch am Donnerstag habe er nicht das Gefühl gehabt, „dass die beteiligten Protagonisten ein Schuldgefühl hatten“. Für ihn gehe es um Hausfriedensbruch und einen entwendeten Schlüssel. „Es sind Dinge, die nicht rechtens sind. Das können wir nicht durchgehen lassen.“
Dass der Schlussstreich von Eltern „hinter dem Rücken der Schulleitung angezettelt“ worden sei, darauf reagiert Rektorin Helfrich empfindlich. Denn schließlich hatte die Schulleitung den Schlussstreich aus verschiedenen Gründen zwei Wochen vor der Abschlussfeier verboten – obwohl es der letzte an dieser Schule gewesen wäre. Dass die Schüler nun doch heimlich etwas vorbereiten, habe sie am Mittwochabend erfahren und zunächst „toleriert“, sagt Helferich. Doch als sie am Donnerstag die Bescherung sah, fand sie, dass dies „zu weit“ gehe. Die Schulleitung werde Strafanzeige „gegen einzelne“ stellen. Betroffen seien jedoch nicht die Jugendlichen, versichert sie.
- Lesen Sie auch: Polizei sucht an Flughäfen nach Schulschwänzern
„Ich habe mich bei der Rektorin entschuldigt“, sagt Elternsprecher Blaha. Seines Wissens nach habe die Polizei zwar von „Hausfriedensbruch“ gesprochen, aber „keinen Straftatbestand“ festgestellt, da nichts kaputt gegangen sei. Dass die Kinder sich heimlich einen Generalschlüssel besorgten, davon habe er erst am Donnerstag erfahren. „Das habe ich nicht gut geheißen, das war nicht richtig“, sagt Blaha. Alle Eltern seien nach dem Vorfall der Ansicht gewesen, „dass man das mit dem Rektorat nicht hätte machen sollen.“