David Garrett war so richtig gut drauf. Der Star- und Kultgeiger fühlte sich ganz offenbar so richtig wohl bei Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten". Er geigte die schnellen Ecksätze der vier berühmten Vio linkonzerte wie Paganinis Vorfahre und sang lustvoll in den langsamen Mittelsätzen.
Das heißt konkret: David Garrett, befreit vom lastenden Druck der Monumentalklassik, spielte mit ganz lockerer Bogenhand und sehr flotten Tempi mit Hang zur Beschleunigung. Das wirkt natürlich spektakulär, obwohl die technischen Anforderungen nicht ganz so hoch sind, wie man meinen könnte. Aber das gibt einen ungemein lebendigen Gesamteindruck. Dass nicht jeder Ton kam oder richtig saß, ist bei dieser Spielweise absolut legitim. Dafür hatte Garrett viele eigene, neue gestalterische Ideen wie das Staccatospiel beim Schlag der Lerchen.
Und was besonders schön war: Garrett rezitierte vor jedem Konzert das Sonett, das Vivaldi als Programm für die Musik geschrieben hat. Sie wurde dadurch für das Publikum wesentlich plausibler.
Garrett spielte mit sehr wenig Vibrato, vertraute dem leuchtenden Klang seiner Violine. Und man wünschte sich, er möge einmal ganz auf die historische Spielweise umsteigen.
Nicht ganz die Erwartungen erfüllen konnten die Streicher der Tschechischen Philharmonie. Ihre Begleitung wirkte etwas unausgegoren, undiskutiert, und Jiri Belohlavek dirigierte vor allem auf Takt halten. Man muss Vivaldi nicht unbedingt historisch spielen. Aber ein paar Gedanken über barocke Klangfarben, über Sinn und Unsinn des Vibratos oder eine Angleichung der Bogenlängen könnte man sich auch in Prag machen. Abgesehen davon, dass der Continuo-Cellist ein ziemlicher Risikofaktor war.
Die Wiedergutmachung folgte auf dem Fuß mit einem Werk, das in Bad Kissingen - und nicht nur hier - noch nie zu hören war: mit der Sinfonie D-dur des tschechischen Wahl-Wieners und Beethoven-Bekannten Jan Vaclav Vorisek, zu Lebzeiten in Wien hoch geschätzt. Nur dauerten die nicht lange, denn er starb mit 34 Jahren an Tuberkulose. Deshalb konnte er auch nur eine Sinfonie komponieren, und das ist schade, denn Vorisek war ein eminenter Melodiker mit vielen Einfällen abseits der Routine - ein Aspekt, den das Orchester sehr plastisch und mit guter Balance entwickelte. Aber er hatte keine Zeit mehr, seinen sinfonischen Anfängerfehler zu korrigieren: zu viel auf einmal zu wollen. Vieles ist ganz einfach zu dick instrumentiert, viele Stimmen laufen parallel, damit möglichst oft alle Musiker beschäftigt sind. Das erschwerte phasenweise die Durchhörbarkeit. Jiri Belohlavek reagierte darauf mit einem sehr differenzierten Spiel, aber ganz ließ sich das Problem damit nicht beheben.
Trotzdem eine Erfahrung, die sich gelohnt hat. Vielleicht bietet sich wieder einmal eine Gelegenheit zur Aufführung.