Früher hatte man nicht sofort einen eigenen Schlitten, das war etwas ganz Besonderes. Meine drei älteren Geschwister hatten schon alle einen, nur ich noch nicht. Die Schlitten meiner Geschwister standen in einem umgebauten Stall und manchmal bin ich dort hin, um nach den Schlitten zu schauen. Immer in der Hoffnung, irgendwann einen eigenen zu bekommen.
Eines Tages im Dezember bin ich wieder in den Stall und dort stand plötzlich noch ein Schlitten, den ich noch nie gesehen hatte. Der Schlitten war aus hellem Holz, mega schön und nagelneu. Wirklich ein Traumschlitten!
Ich bin sofort ins Haus gerannt und erzählte meinen Eltern und Geschwistern vom neuen Schlitten im Stall. Sie erklärten mir, dass der Schlitten meinem Cousin gehörte. Er hatte ihn bei uns vergessen und wollte ihn bei Gelegenheit wieder holen. Damit hatte ich meine Antwort und ging wieder raus in den Schnee.

Weil mir langweilig war und ich gerne die Verwandtschaft besuchte, nahm ich den Schlitten und wollte ihn meinem Cousin bringen. Er freut sich ganz bestimmt darüber! Ich musste den Schlitten fast durch das ganze Dorf durch den hohen Schnee ziehen. Mein Cousin wohnte außerhalb. Das Haus stand allein auf einem Berg, da mein Onkel dort auch seine Malerfirma und Werkstatt hatte.
Endlich oben angekommen, wollte ich voller Freude den Schlitten übergeben. Nur war niemand da. Also stellte ich den Schlitten in der offenen Werkstatt ab und machte mich fröhlich durch den Schnee stapfend wieder auf den Nachhauseweg. Dort hatte man mich schon vermisst und sich gefragt, wo ich denn wohl war.
Voller Stolz erzählte ich, wie ich den Schlitten durchs ganze Dorf gezogen hätte und ihn meinem Cousin vorbeigebracht hätte. Dieser freue sich bestimmt darüber, dass sein Schlitten wieder da ist. Ungläubige Gesichter schauten mich an, aber es wurde nicht viel gesagt.
Heiligabend kam und man war als Kind aufgeregt, was man wohl bekommen würde. Als wir endlich ins geschmückte Wohnzimmer durften, sahen wir den Weihnachtsbaum, der hell erstrahlte und so schön leuchtete. Ich sah vom Baum nach unten und traute meinen Augen nicht. Dort stand der Schlitten, den ich weggebracht hatte. Mein Traumschlitten!
Und so erfuhr ich, dass er mein Weihnachtsgeschenk war – das ich selbst weggebracht hatte! Man hatte mir nicht sagen können, dass ich mein Geschenk entdeckt hatte. Also erzählte man mir die Geschichte von meinem Cousin. Ich war überglücklich, dass dieser wunderschöne Holzschlitten, der mir so gefallen hatte, nun mein eigener war. Ich war lange auf diesen besonderen Schlitten stolz – weil es mein eigener war und ihn so eine lustige Geschichte begleitete.
Text: Ulrike Stegmann
Foto: Reza Shadab / Montage: Marina Burger
Ulrike Stegmann (57) ist die Geschäftsstellenleitung bei Stadtmarketing PRO Bad Kissingen.
In der Kolumne "Kissinger Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Bad Kissingen Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.