Konzentriert blickt Kayleigh Sloan auf den Monitor. Für ein Projekt recherchiert die Zehntklässlerin mit ihren Mitschülern über die Handyproduktion. „Ich will einen Job im Büro, daher habe ich mich für die Wirtschaftsschule entschieden“, sagt die 17-Jährige. Die Jugendlichen werden im Sommer die ersten Absolventen der Wirtschaftsschule in Hammelburg sein – und es werden nicht die letzten bleiben.
Denn der Hammelburg Außenstandort der staatlichen Wirtschaftsschule Bad Neustadt hat vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst nun eine dauerhafte Bestandsgarantie bekommen. „Die Garantie kommt zur rechten Zeit“, freut sich Ralf Kaminski. Schließlich läuft gerade die Anmeldephase für das kommende Schuljahr. „Jetzt müssen wir nicht mehr von Jahr zu Jahr auf die Genehmigung hinarbeiten“, sagt der Leiter der staatlichen Wirtschaftsschule Bad Neustadt.
Die kooperiert seit 2011 mit der Hammelburger Mittelschule. Dort sind die Wirtschaftsschulklassen untergebracht. Derzeit sind es 17 Schüler in der achten, 21 Schüler in der neunten und neun Schüler in der zehnten Jahrgangsstufe. In den allgemeinbildenden Fächern unterrichten Mittelschullehrer die Wirtschaftsschüler. In jedem Regierungsbezirk in Bayern gibt es im Rahmen eines Modellversuchs eine solche Zusammenarbeit zwischen Mittelschule und Wirtschaftsschule. In Unterfranken jedoch ist Hammelburg der einzige Standort.
Über Kreisgrenzen hinweg
„Das ungewöhnliche an Hammelburg ist, dass über Landkreisgrenzen hinweg zusammengearbeitet wird“, sagt Ingeborg Hoffmann, Leiterin der Mittelschule. Daher startete das Kooperationsmodell ein Jahr später als in den anderen Regierungsbezirken. Dafür hat der Landkreis Bad Kissingen die Bestandsgarantie jetzt bekommen, noch bevor der erste Abschlussjahrgang die Wirtschaftsschule absolviert hat. Auch das ist ungewöhnlich, wie Landrat Thomas Bold feststellt. Er wertet dies als Anerkennung für die geleistete Arbeit. Der Landkreis Bad Kissingen trägt den Sachaufwand für die Außenklassen.
Die Wahl fiel damals aufgrund der Geografie auf Hammelburg. Bold: „Es gab einen weißen Fleck.“ Der Standort schließt eine Lücke zwischen Bad Neustadt und dem Privatschulangebot in Schweinfurt. Sogar Schüler aus dem Gemündener Raum besuchen die Hammelburger Einrichtung. Kaminski betont, dass die Wirtschaftsschule aufgrund ihrer Nähe für Jugendliche aus Main-Spassart interessant sei. Er will dort verstärkt werben. Für Kayleigh Sloan, die aus Arnstein kommt, ist die Hammelburger Einrichtung denn auch die nächstgelegene staatliche Wirtschaftsschule.
„Die Wirtschaftsschule ist die kleinste Schulart im sekundären Bereich. Eltern muss man immer wieder neu auf diese Schulform aufmerksam machen – auch nach mehr als 40 Jahren in Bad Neustadt“, sagt Kaminski. Sie informiere Eltern und spreche Schüler, die zum Beispiel Schwierigkeiten in Mathematik haben, gezielt für einen Besuch der Wirtschaftsschule an, erklärt Hoffmann. Eine Konkurrenz zum M-Zug gebe es nicht. Hoffmann: „Für mich sind die Wirtschaftsschüler auch meine Schüler.“ Kaminski sieht die Wirtschftsschule zudem als „zweite Chance“ für Realschüler und Gymnasiasten.
Die Dreistufigkeit der Wirtschaftsschule ist eine Neuerung, die die Kooperationsform mit sich bringt. Eine Besonderheit ist auch, dass die Schüler verpflichtend drei Stunden pro Woche in der Übungsfirma lernen: In einem speziell eingerichteten Raum im Grundschulgebäude wenden sie die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse auf die Praxis an. Dafür wird ein Unternehmen mit verschiedenen Abteilungen wie Materialeinkauf, Warenlager und Rechnungswesen simuliert.
Die Schüler können an der Wirtschaftsschule einen mittleren Bildungsabschluss machen. Es muss sich nun zeigen, wie die Unternehmen das Angebot annehmen, meint Bürgermeister Ernst Stross. Die ersten Absolventen stehen ab Sommer bereit.