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WÜRZBURG/MÜNCHEN: Der Mann, der die Sonne austrickst

WÜRZBURG/MÜNCHEN

Der Mann, der die Sonne austrickst

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    Der Mann, der die Sonne austrickst
    Der Mann, der die Sonne austrickst

    Als der Begriff „Brillenkönig“ fällt, schaut Klaus Hünig schmunzelnd auf. Den Titel mag er gar nicht, vor allem das „König“ stört ihn. Das sei er ja gar nicht. „Meine Erfindung lag ja eigentlich nahe“, so der Würzburger, dessen Firma im Stadtteil Lengfeld liegt. Dabei gehört der Begriff mittlerweile genauso zu ihm wie seine Erfindung. 1999 hat Hünig den Coup seines Lebens gelandet. Damals kam Deutschland in den Genuss einer totalen Sonnenfinsternis. Und der frühere Waldorflehrer mit dem Gespür für Himmelskunde sorgte für den passenden Schutz. Über 17 Millionen Mal verkaufte sich die von ihm entwickelte „SoFi“-Brille. Sie machte es möglich, dass Millionen von Menschen ohne Probleme Zeugen des Naturphänomens wurden. Immerhin war die totale Sonnenfinsternis 1999 für viele die Erste und vermutlich auch Letzte. Denn eine totale Sonnenfinsternis ist extrem selten. Bevor die Brille entwickelt wurde, konnten sich Beobachter nur mit Hausmitteln behelfen wie rußbedeckten Scherben, CDs oder komplett ausbelichteten Röntgenfilmen. Wer einfach so in die Sonne schaute, erlitt schwere Verletzungen.

    Dabei gab es die Brillen schon vor 1999, wenn auch nur als Bausatz. „Bereits 1996 habe ich die Brillen entwickelt und verkauft“, so Hünig. Damals gab es aber nur eine partielle Sonnenfinsternis zu beobachten, das Interesse war also nicht übermäßig groß. Drei Jahre später gingen die Brillen dann weg wie warme Semmeln. Der kleine Verlag, der damals gerade die Familie ernähren konnte, machte für ganz kurze Zeit ein Millionengeschäft.

    Vor dem großen Boom hatte der 69- Jährige Angst, auf der vorproduzierten Menge an Brillen sitzen zu bleiben. „Doch der Bedarf war eigentlich um fünf Millionen Stück höher“, erinnert sich der Tüftler. Der Preis für den Erfolg: Der Arbeitsanfall während dieser Zeit war enorm. Was im Kopf des Erfinders schon fertig zusammengebaut war, musste erst einmal lange auf die Realisierung warten. „Über ein Jahr lang keinen Urlaub, ein Jahr kein Wochenende“, sagt Hünig. So einen Stress wie damals möchte er nie wieder haben. Noch eine Erfindung dieses Ausmaßes? Nein, das wolle er auf keinen Fall mehr. Vom Kapitel 1999 spricht er aber dennoch gerne, weil er dankbar für das ist, was damals passiert ist.

    Mit dem Geld konnte er die Alterssicherung bestreiten, die Familie unterstützen, ein Wochenendhaus in der Rhön kaufen und viele soziale Projekte fördern. Unter den Schulen unterstützt er beispielsweise auch ein Indianerreservat in den USA und Projekte in Nepal. Dort fehle es an nötiger Bildung, und es sei erstaunlich, wie viel man dort mit wenig Geld schon erreichen könne. „Ich sehe das als Geschenk der Menschen an, die die Brillen gekauft haben“, so Hünig.

    Doch der Erfolg vor 16 Jahren eröffnete dem Lengfelder neue Möglichkeiten für das, was er am liebsten macht: das Tüfteln. Auch wenn er nichts mehr derart Großes erfinden will, ist das Entwickeln seine Leidenschaft. „Es ist schon ein bisschen so wie ein Forscher im stillen Kämmerlein“, beschreibt Hünig und spricht dabei von seinem Arbeitszimmer, in dem seine Entwicklungen entstehen. Seine Erfindungen entstehen aber ganz woanders, nämlich in seinem Kopf. „Dort sind alle Erfindungen schon fertig zusammengebaut“, beschreibt Hünig.

    Mittlerweile ist der Titel „Brillenkönig“ schon fast Geschichte, heute liest man vom „Tüftlerkönig“. Denn er forscht, konzipiert und baut weiter mit seinem Lieblingsmaterial, der Pappe. Er selbst nennt sich jedoch nicht König, der Begriff sei eh so eine Erfindung der Presse und ein gefundenes Fressen für seine Geschwister, die ihn damit immer aufzogen. Er selbst bezeichnet sich als „Barfußastronom“, weil sein Forschungsschwerpunkt in der Himmelskunde liegt, betrachtet die Dinge aber aus der Beobachterperspektive, weniger hochwissenschaftlich. Ein besonderer Vorteil, wie er findet. Studiert hat er eigentlich Anglizistik und Romanistik, lehrte aber an der Waldorfschule naturwissenschaftliche Fächer.

    Dass seine Erfindungen nicht von, sondern aus Pappe sind, zeigt seine Grundphilosophie: „Es sind keine Modelle, sondern funktionierende Objekte nach großem Vorbild“. Entstanden sind in mehr als 30 Jahren über 70 Bausätze – von Lochkameras über Tischplanetarien bis hin zu Dampfmaschinen. Den Vertrieb dafür hat er abgegeben, nicht aber seine Ideenvielfalt. Er habe noch eine lange Liste von Projekten, die er angehen möchte. „Es wäre schon schön, wenn ich noch das ein oder andere entwickeln könnte“, lacht Hünig und weist darauf hin, dass er ja schon fast 70 sei.

    Aber auch für einen erfahrenen „Barfußastronomen“ ist eine Sonnenfinsternis noch nicht langweilig geworden. Er wird ebenfalls einer von vielen Millionen interessierten Beobachtern sein, wenn es am Freitagvormittag dunkel in Deutschland wird. Ein Sonnenfinsternis-Jäger sei er aber nicht, die Reisen nach Spitzbergen seien ja eh schon alle ausgebucht. Von diesem Ort aus lässt sich unsere partielle als totale Sonnenfinsternis beobachten. Nein, für ihn spiele es keine Rolle mehr, wo er solch ein Ereignis beobachtet. Die Sonnenfinsternis 1999 erlebte er damals im Kloster Maulbronn, eine wunderbare Erfahrung wie Hünig gedankenversunken erzählt. Und diese Erfahrung will er für sein Leben lang festhalten: „Ich hätte nichts dagegen, wenn das Erlebnis das Einzige dieser Art in meinem Leben bleibt.“

    Die Sonnenfinsternis am Freitag im kurzen Überblick

    Laut der Nasa beginnt der Mond gegen 9.30 Uhr, die Sonnenscheibe zu verdecken. Eine gute Stunde später, kurz nach 10.30 Uhr, ist die größte Bedeckung erreicht. Kurz vor 12 Uhr ist das Spektakel auch schon wieder vorbei. Mit einer in Deutschland sichtbaren Abdeckung der Sonne durch den Mond von bis zu 82 Prozent (in Würzburg immerhin rund 73 Prozent), handelt es sich bei dieser Sonnenfinsternis um ein sehr seltenes Phänomen. Die letzte Sonnenfinsternis, die einen ähnlich hohen Bedeckungsgrad aufwies, gab es im Mai 2003. Die übernächste ist erst im August 2026 zu beobachten. Im Gegensatz zu einer totalen Sonnenfinsternis, wird die Sonne nicht komplett verdeckt, sondern wird wie eine Sichel aussehen. Es wird dringend davon abgeraten, ohne Augenschutz in die Sonnenfinsternis zu schauen. Für die Augen ist eine spezielle Sonnenfinsternis-Brille nötig. Übliche Sonnenbrillen, Teleskope oder Kamerasucher dürfen ebenfalls nicht zum Betrachten benutzt werden. Die Brillen sind bei Optikern vielfach ausverkauft. Wer noch keine hat, muss sich auf längeres Suchen einstellen.

    „Es wäre schön, wenn ich noch das ein oder andere entwickeln könnte.“

    Klaus Hünig, Entwickler der Sonnenfinsternis-Brille

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