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WIESENTHEID: Archive: Wo die Vergangenheit lebendig wird

WIESENTHEID

Archive: Wo die Vergangenheit lebendig wird

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    Menschen, Gebäude, Geschichten: Kreisarchivpflegerin Barbara Steinberger hat schon eine ganze Reihe von Schriften verfasst, die sich mit der Vergangenheit befassen. Dazu gehört auch ein Bildband über das Schloss Rüdenhausen. Fotos: Steinberger
    Menschen, Gebäude, Geschichten: Kreisarchivpflegerin Barbara Steinberger hat schon eine ganze Reihe von Schriften verfasst, die sich mit der Vergangenheit befassen. Dazu gehört auch ein Bildband über das Schloss Rüdenhausen. Fotos: Steinberger Foto: Steinberger

    Wiesentheid Staubige alte Akten, vergilbte Blätter und Urkunden: Wozu braucht es in Zeiten der Digitalisierung eigentlich noch Gemeindearchive? Kreisarchivpflegerin Barbara Steinberger weiß die Antwort.

    Frage: Archivarbeit – das hört sich nach längst Vergangenem an, nach Dingen, die niemanden mehr interessieren. Viele Menschen finden alte Unterlagen langweilig. Sind sie das?

    Steinberger: Ganz im Gegenteil. Für die Gemeinden ist das Archivgut eine einzigartige Überlieferung. Es ist das individuelle schriftliche Gedächtnis der Kommunen, dessen Verlust nicht einfach durch Archivgut in den staatlichen Archiven kompensiert werden kann. Den Heimat- und Familienforschern und ebenso Historikern mit wissenschaftlichem Anspruch können sich in den Archiven selbst kleinerer Kommunen wahre Fundgruben eröffnen.

    Weil sie was dort finden?

    Steinberger: Dort lagern Protokollbücher, Bände, Akten, Urkunden und Karten. Sie verbergen Informationen über die Siebener und Nachtwächter, Sühneversuche, Spruchkammerurteile, Feuerordnung und ortspolizeiliche Vorschriften, Hand- und Spanndienste, Pflasterzollerhebungen, Gemeinderechnungen, Ehe- und Übergabeverträge. Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo liegen die Wurzeln meiner Familie? Immer mehr Menschen stellen sich solche Fragen. Die Antworten darauf findet man in den Gemeindearchiven. Für mich ist die Vergangenheit mit ihren vielen kleinen Geschichten, wie sie die Ahnen- und Ortsforschung zu Tage bringt, ein lebendiger Stoff.

    Was genau ist Ihre Aufgabe als Kreisarchivpflegerin?

    Barbara Steinberger: In Vertretung des Staatsarchivs berate und unterstütze ich die Gemeinden in allen Fragen des kommunalen Archivwesens – wenn Archivordnungen oder Benutzungsregelungen vorbereitet werden, Mitarbeiter mit der Ordnung oder Betreuung des Gemeindearchivs beauftragt werden, Archivräume geschaffen oder eingerichtet werden, entbehrliche Unterlagen ausgesondert werden und über deren Archivierung oder Vernichtung zu entscheiden ist oder wenn Grundsätze der Erschließung von Unterlagen aufgestellt werden. Als Kreisarchivpflegerin besuche ich die Gemeinden regelmäßig und erörtere dabei alle mit dem Archiv zusammenhängenden Probleme. Über die vor Ort gewonnenen Erkenntnisse berichte ich dem Staatsarchiv.

    Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?

    Steinberger: Die Neubesetzung war erforderlich, nachdem die bisherige Kreisarchivpflegerin Roswitha Sulzbacher 2014 verstorben ist. Ich hatte sie oft in den Gemeindearchiven getroffen und bekam einen Einblick in ihre Arbeit. Als eine neue Kreisarchivpflegerin gesucht wurde, konnte ich das Staatsarchiv Würzburg von meinen Fähigkeiten und Kenntnissen überzeugen. Im September 2015 erhielt ich die Bestellungsurkunde von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns.

    Sie arbeiten ehrenamtlich. Wieviel Zeit investieren Sie?

    Steinberger: Das richtet sich nach dem Beratungsbedarf der Gemeinden oder der ehrenamtlichen Archivbetreuer. Wegen der Corona-Pandemie und unter Berücksichtigung von offiziellen Vorgaben und Empfehlungen stehe ich den Gemeinden und Archivbetreuern/innen für Auskünfte, Beratungen und Empfehlungen derzeit telefonisch und per E-Mail zur Verfügung. Die momentane Situation erlaubte mir, meine über Jahre hinweg gesammelten Daten in Bände und Bildbände zusammenzufassen.

    Um welche Themen geht es da?

    Steinberger: Für die Gemeindearchive Castell und Rüdenhausen habe ich „Die Nachkommen von Matthes Steinberger in Greuth und Rüdenhausen sowie Ereignisse und Details aus längst vergessenen Zeiten“ verfasst. Zudem habe ich dem Rüdenhausener Archiv einen Bildband „Rüdenhausen – Rundgang durch das Schloss“ überlassen. Die meisten dort abgebildeten Fotos entstanden 2003. Ein Exemplar des Heftes „Caspar Pickert – Maschinenfabrikant, Ingenieur, Erfinder und Gemeindebevollmächtigter in Schweinfurt“ wird im Schweinfurter Stadtarchiv aufbewahrt.

    Sie müssen dem Staatsarchiv über die Situation in den Gemeindearchiven berichten. Bekommen Sie ein Feedback?

    Steinberger: Meine Berichte an das Staatsarchiv Würzburg ergänze ich immer mit Fotos der Magazin- und Arbeitsräume. So kann das Staatsarchiv auch optisch einen Eindruck über die Situation vor Ort gewinnen. Durch diese regelmäßigen Dokumentationen können Veränderungen besser wahrgenommen werden. Darüber hinaus stehe ich im ständigen Austausch mit dem Staatsarchiv.

    Was muss im Archiv überhaupt aufgehoben werden? Und für wie lange?

    Steinberger: Archivwürdig sind Unterlagen, die für die wissenschaftliche Forschung, zur Sicherung berechtigter Belange Betroffener oder Dritter oder für Zwecke der Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltung von bleibendem Wert sind. Ein paar Beispiele zur Erklärung: Akten über Gemeindenamen und Gemeindegrenzen, deren Änderungen über Aus- und Eingemeindungen, Akten über Gemeindewappen, -siegel und -fahnen, Akten über Stiftungen, Flurbereinigungsakten und -verträge, Akten über die Abhaltung von Märkten, Kirchweih- und anderen örtlichen Festen und das Standesamtsregister. Archivgut wird dauerhaft aufbewahrt.

    Aus welcher Zeit stammen die ältesten Unterlagen?

    Steinberger: Der zeitliche Umfang ist sehr verschieden. In einigen Gemeindearchiven lagern Urkunden aus dem 15. und 16. Jahrhundert.

    Darf auch ausgemistet werden?

    Steinberger: Zunächst zur Erklärung: Registraturgut sind Unterlagen, auf die die Verwaltung noch mehr oder weniger häufig zurückgreift und bei denen die Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind. Nach Ablauf dieser Frist sind die abschließend bearbeiteten und die für die Verwaltung entbehrlichen Unterlagen dem Gemeindearchiv anzubieten. Der Archivbetreuer entscheidet dann, gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Geschäftsleiter, welche Unterlagen archivwürdig und deshalb in das Archiv zu übernehmen sind und welche vernichtet werden können. Bei Bedarf unterstütze ich den Archivbetreuer bei dieser Aufgabe. Insofern empfiehlt es sich, Aussonderungen in regelmäßigen, kürzeren Abständen durchzuführen, um die Registraturen immer wieder zu entlasten, den vorhandenen Registraturbestand überschaubarer zu gestalten und damit auch den Rückgriff und Recherchen zu erleichtern.

    Aber wird es dann nicht auch in den Archiven eng?

    Steinberger: Jedes Gemeindearchiv erhält Zuwachs an Archivalien, die es dauerhaft aufbewahrt. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass irgendwann das Archivmagazin an seine Aufnahmekapazität stößt. Derzeit sind einige Gemeinden auf der Suche nach geeigneten, größeren Räumlichkeiten.

    Was ist bei der Lagerung historischer Unterlagen zu beachten?

    Steinberger: Die räumliche Unterbringung der Gemeindearchive ist ein sensibles Thema der Archivpflege. Es gibt viele Voraussetzungen, die ein Archiv erfüllen sollte. Neben günstigen Klimabedingungen und Brandschutzvorkehrungen ist zum Beispiel eine zweckmäßige, säurefreie Verpackung zu empfehlen, die nicht nur eine übersichtliche Ordnung im Regal gewährleistet, sondern das Archivgut vor Licht, mechanischen Schäden, Staub (beliebter Nährstoff für Schimmelsporen) und Schädlingen schützt und als Klima- und Feuchtepuffer dienen kann.

    Heute wird in erster Linie digital gearbeitet. Warum braucht man die alten Blätter da überhaupt noch?

    Steinberger: Gemeindearchive sind zunächst eine Einrichtung der Gemeindeverwaltung und erfüllen für diese eine rechtlich-administrative Funktion. Unter den Dokumenten, die im Gemeindearchiv aufbewahrt werden, finden sich auch solche mit rechtlich relevanten Inhalten, die über Rechts- und Besitztitel sowie über Verpflichtungen – etwa über Bauunterhaltspflichten an Gebäuden, Bestellung von Grunddienstbarkeiten, Zahlungsverpflichtungen und Stiftungen – Auskunft geben können und die, auch wenn lange Zeit nicht mehr auf sie zurückgegriffen wurde, für die alltägliche Verwaltungsarbeit kurzfristig wieder aktuelle Bedeutung gewinnen können. Gerade bei der Suche nach Dokumenten, mit deren Hilfe Ansprüche der Gemeinde nachgewiesen oder Forderungen Dritter abgewehrt werden können, bewahrheitet sich der Nutzen eines geordneten Gemeindearchivs. Es dient der Rechtssicherheit und erleichtert die Verwaltungsarbeit, indem einschlägige Schriftstücke im Bedarfsfall rasch recherchiert und im Original vorgelegt werden können. Gemeindearchive stellen also eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren einer modernen Kommunalverwaltung dar.

    Was haben die Bürger vom Archiv? Können und dürfen sie auf die Unterlagen zurückgreifen?

    Steinberger: Den Gemeindearchiven kommt eine kulturell-historische Funktion zu. Als öffentliche Archive haben sie allen interessierten Bürgern in einem demokratisch-rechtsstaatlichen Sinn den Zugang zu den Quellen zu ermöglichen, aus denen diese Antworten auf rechtliche und historische Fragestellungen gewinnen können. Als lokalgeschichtliche Informations- und Dokumentationszentren sind Gemeindearchive unentbehrlich, wenn es etwa darum geht, Ortschroniken und Heimatbücher zu erstellen, Jubiläen von lokalen Einrichtungen und Organisationen vorzubereiten sowie Familien, Haus und Hofforscher mit historischen Daten zu versorgen. Nicht zuletzt sind Archivbestände aber auch Fundgruben für Festreden und Ansprachen.

    Info: Barbara Steinberger wurde im September 2015 durch die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns zur Kreisarchivpflegerin bestellt. Die 57-Jährige wohnt in Wiesentheid, telefonisch ist sie unter 09383/902382 erreichbar.

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